Wissenschaftlich Recherchieren mittels „Cognitive Computing“
Euskirchen - Das Fraunhofer-Projekt KATI, das am Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT in Euskirchen durchgeführt wird, erhält vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) eine Zuwendung in Höhe von 1,2 Millionen Euro über eine Projektlaufzeit von drei Jahren. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Entwicklung eines IT- und datenbasierten Assistenzsystems, welches die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei
ihren Technologievorausschau-Aktivitäten unterstützt.
Der Name KATI steht für Knowledge Analytics for Technology & Innovation. Das Projekt baut auf der inhaltlichen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Abteilung Technologieanalysen und Strategische Planung insbesondere in der Technologiefrühaufklärung und Technologieanalyse auf. Ein weitere, wichtige Voraussetzung für das Vorhaben ist die methodische Kompetenz in den Bereichen der quantitativen Verfahren der Zukunftsforschung sowie der Informationsvisualisierung, die am Fraunhofer INT während der letzten Jahre erarbeitet wurde.
Ziel des Systems, welches im Rahmen dieses Forschungsvorhabens entwickelt wird, ist es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an zahlreichen Stellen ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Das betrifft zunächst vor allem die Recherche in wissenschaftlichen Datenbanken. Das System zielt darauf ab, die benötigte Zeit für die Suche nach relevanten Publikationen deutlich zu verringern, um somit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mehr
Zeit für die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Thema zu geben. Diese sollen zusätzlich dadurch unterstützt werden, dass wichtige Analysen, die heute noch sehr zeitaufwendig sind, beschleunigt und automatisiert werden. Schließlich soll das System darüber hinaus völlig neue Analysemöglichkeiten eröffnen, die derzeit aktiv entwickelt werden.
Das Bundesministerium der Verteidigung stützt sich in seiner langfristigen Forschungsplanung seit vier Jahrzehnten auf die Recherchen und Analysen des Fraunhofer INT, vor allem zur Technologiefrühaufklärung und -bewertung. Die Beschleunigung, Erweiterung und Effizienzsteigerung dieser Aktivitäten am Fraunhofer INT wird sich daher positiv auch auf die Planungsprozesse des Ministeriums und anderer öffentlicher Auftraggeber auswirken können.
„Cognitive Computing“ für die Technologiefrühaufklärung
Im fertigen System sollen auch Verfahren des „Cognitive Computing“ zum Einsatz kommen. Darunter versteht man den Versuch, mittels Software die menschliche Erkenntnisfähigkeit, die sogenannte Kognition, nachzuahmen. Hierbei kommen Techniken aus unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz. Verfahren aus der Computerlinguistik – auch als Natural Language Processing bezeichnet – sind notwendig, um Texte inhaltlich zu erschließen und zu analysieren. Ergänzt werden diese durch Algorithmen aus den Bereichen Data-Mining, maschinelles Lernen und Big Data. Diese werden eingesetzt, um große Textmengen zu clustern, darin Muster zu erkennen, diese zu klassifizieren und Abweichungen – sogenannte Anomalien – zu detektieren.
Bereits Ende 2015 konnte im Rahmen einer Vorstudie ein marktführendes Software-Tool beschafft und auf der IT-Infrastruktur des Instituts installiert werden. Dessen jeweilige Komponenten für Computerlinguistik und maschinelles Lernen werden nun für die Arbeit am Institut nutzbar gemacht. Eine für das Fraunhofer INT spezifische Herausforderung entsteht durch die Notwendigkeit nicht nur einzelne Themenbereiche, sondern das gesamte Spektrum an naturwissenschaftlich-technischen Entwicklungen kontinuierlich zu beobachten. Hierfür muss das Tool erheblich umgestaltet und an die speziellen Erfordernisse der Technologiefrühaufklärung angepasst werden.
Bis das neue Assistenzsystem vollumfänglich am Fraunhofer INT einsatzbereit sein wird, ist es daher noch ein weiter Weg. Die Projektleiter Dr. René Bantes und Dr. Marcus John rechnen mit einem ersten Demonstrator, in welchem auch die lernenden Aspekte des Systems implementiert beziehungsweise genutzt werden, nicht vor 2018. „Im Moment ist das wichtigste Arbeitspaket, die Software an die Bedürfnisse des Instituts und die Aufgabenstellungen der Technologiefrühaufklärung anzupassen. Wir wollen zunächst ein System entwickeln, welches über umfangreiche Analysemöglichkeiten verfügt. Erst nach Abschluss dieser Arbeiten kann damit begonnen werden, ein lernendes System zu entwickeln.“, präzisiert John. Mit Hilfe der zentralen IT-Dienste des Instituts konnte Ende des Jahres 2016 bereits eine Vorab-Version des Systems implementiert werden, die derzeit getestet und erweitert wird. Mittlerweile stehen in dem System bereits mehr als 50.000.000 bibliographische Datensätze wissenschaftlicher Publikationen für die Recherche und Analyse zur Verfügung.
Investition in die Zukunft des Institutes
Das Projekt, das auf eine Initiative des Institutsleiters Prof. Dr. Dr. Michael Lauster zurückgeht, kann gleich in mehrfacher Hinsicht zur Zukunftssicherheit des Fraunhofer INT beitragen. Mittels der erweiterten und neuen Recherche- und Analysenmöglichkeiten können die Auskunfts- und Beratungsfähigkeit ausgebaut werden. Dies hilft dem Institut am Markt konkurrenzfähig zu bleiben.
Im Projektbudget sind auch Finanzmittel für Promotionen vorgesehen. Durch Umfang und Komplexität des Projektes ergeben sich zahlreiche Fragestellungen, die sinnvollerweise im Rahmen einer abgeschlossenen wissenschaftlichen Arbeit beatwortet werden können. Außerdem wird durch die Vergabe von Doktorarbeiten die Hochschulanbindung des Institutes gestärkt.
Das Fraunhofer INT bietet wissenschaftlich fundierte Analyse- und Bewertungsfähigkeit über das gesamte Spektrum technologischer Entwicklungen. Vertieft wird dieser Überblick durch eigene Fachanalysen und -prognosen auf ausgewählten Technologiegebieten und durch eigene theoretische und experimentelle Arbeiten auf dem Gebiet elektromagnetischer und nuklearer Effekte.