Von Kutschen zu Clouds: Die Entwicklung von Logistik in Deutschland
Diesen Monat dreht sich alles um das Thema Logistik. Mit der Hilfe daten-gestützter Methoden und des am Fraunhofer INT entwickelten KATI-Systems wollen wir das Thema aus einem übergeordneten Blickwinkel betrachten und analysieren, wie es sich über die letzten 50 Jahre entwickelt hat und welche Teilthemen aktuell besonders heiß diskutiert werden. Dafür bedienen wir uns an Methoden aus dem Bereich des Natural Language Processing und nutzen Large Language Modelle.
Das Thema Logistik besteht aus vielen Teilthemen, von der optimalen Lagerung von Waren, über die Routenoptimierung verschiedener Transportmittel bis hin zur digitalen Prozessunterstützung. Daher nutzen wir statt einer sehr aufwändigen Suchanfrage die sogenannten Citation Topics, um einen geeigneten Datensatz für die Analyse zu generieren. Dabei handelt es sich um ein Artikel-basiertes Klassifikationsschema, welches seit einiger Zeit im Web of Science verfügbar ist. In diesem ist die Klasse Supply Chain & Logistics vorhanden, welche mehr als 230.000 Publikationen umfasst. Da eine so große Menge an Publikationen schwer interpretierbar ist, fokussieren wir uns hier lediglich auf die gut 10.000 wissenschaftlichen Artikel aus Deutschland.
Um die Evolution der Logistik in Deutschland zu analysieren, wurde zunächst ein Topic Modelling mittels Text Embedding durchgeführt. Die gefundenen Themen wurden dann mit Hilfe eines Large Language Models betitelt. Auf diese Weise wurden acht so genannte Global Topics identifiziert (Abbildung 1), welche sich größtenteils um die Optimierung verschiedener Aspekte der Logistikbranche drehen. Das ist nicht verwunderlich, da eine Kernfrage der Logistik »Wie kriege ich Ware X möglichst effizient, schnell und kostengünstig von A nach B?« lautet. Es fällt auf, dass die Digitalisierung hier eine große Rolle spielt: viele der Optimierungsprobleme kann man mittlerweile mit geeigneten Algorithmen und genug Rechenpower lösen. Interessant ist außerdem, dass in Thema sieben das spezielle Problem der Logistik in humanitären Krisen auftaucht, welche sicherlich in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.
Da diese Themen noch recht weit gefasst sind und noch nichts über den zeitlichen Verlauf aussagen, haben wir im nächsten Schritt die letzten gut 50 Jahre in vier Zeiträume eingeteilt und für jeden Zeitraum die Local Topics identifiziert. Diese wurden dann den Global Topics zugeordnet. In Abbildung 2 stellen wir exemplarisch das Ergebnis dieser Analyse für das größte Global Topic Supply Chain Optimization and Scheduling dar. Wir sehen, dass bis zum Ende der 90er Jahre vor allem zwei Themen in diesem Kontext behandelt wurden, welche sich um das Jahr 2000 herum in weitere Themen aufteilen. Das Thema S1.3 Production Planning and Control Systems gliedert sich beispielsweise in sechs weitere Themen, unter anderem in S2.14 Supply Chain Management and Coordination. Dann sieht man hier schön, wie sich die Themen um Supply Chain Management weiterentwickeln, von der Koordination (S2.14) zum Teilen von Information (S3.22) bis hin zu Resilienz und Riskmanagement (S4.2). Im Grunde wurde zunächst daran geforscht, wie man eine Supply Chain aufbaut und koordiniert, dann wie man sie mit Hilfe von mehr Informationen verbessert und schließlich wie man sie in schwierigen Zeiten aufrechterhalten kann. Der letzte Zeitraum zeigt uns außerdem, welche Themen sonst aktuell sind und momentan erforscht werden. Mit dieser Methode können wir auch erkennen, was aktuell die globalen Themen sind. Abbildung 3 zeigt die Evolution in Humanitarian Logistics and Disaster Response und bestätigt die Vermutung, dass gerade die Koordination von Hilfe in Katastrophengebieten ein Thema ist, welches mit den Entwicklungen von Klimawandel, Pandemien und Kriegen an Wichtigkeit gewonnen hat.
Nachdem wir einen Überblick über das Thema Logistik in Deutschland erhalten haben, können die durch diese Methode gefundenen Teilthemen nun weiterführenden Analysen unterzogen werden. Beispielsweise kann man einen KATI-basierten Deep-Dive durch eine*n Expert*in durchführen. Oder man wendet die hier skizzierte Methode auf weitere Länder an, um die dortigen Entwicklungen zu analysieren und mit Deutschland zu vergleichen. Natürlich kann das Vorgehen analog für beliebige wissenschaftlichen Themen durchgeführt werden. Dies alles ist möglich – wenn Sie neugierig und daten-getrieben bleiben.