Gendergerechtigkeit in der Wissenschaft: Frauen im Fokus
München im Februar 2025. Die Fraunhofer-Gesellschaft verleiht den renommierten Hugo-Geiger-Preis für herausragende Promovierende, die sich in ihren Doktorarbeiten Themen der anwendungsorientierten Forschung widmen. Erstmals sind in diesem Jahr alle drei Preisträgerinnen Frauen. Das ist ein Zeichen dafür, dass Frauen zunehmend auch in den MINT-Fächern angemessen wahrgenommen und gefördert werden.
Doch wie sieht diese Entwicklung jenseits der Fraunhofer-Gesellschaft aus? Welche Rolle spielen Frauen in der Wissenschaft, wenn man hinter die Kulissen solcher Schlagzeilen schaut und den Zustand auf Länderebene betrachtet? Dieser Frage wollen wir kurz vor dem Weltfrauentag in diesen Nachrichten aus dem Datenraum nachgehen – natürlich mit Hilfe von Daten.
Die Daten liefert uns Eurostat, die Statistikbehörde der Europäischen Union, die eine Vielzahl statistischer Daten zu diversen Themen liefert. So wird beispielsweise erfasst, wie viele Personen als Wissenschaftler*innen und Ingenieur*innen angestellt sind. Insbesondere wird auch ausgewiesen, wie hoch in diesem Bereich der Anteil an Frauen ist. Abbildung 1 liefert einen ersten Überblick über die Situation in einigen europäischen Staaten.
Im Jahr 2023 lag der europäische Durschnitt für den Frauenanteil im wissenschaftlich-technischen Bereich bei etwa 41%. Den höchsten Anteil finden man in den drei nordischen Ländern Norwegen, Dänemark und Island, sowie in Spanien. In diesen Fällen ist der Anteil der beschäftigten Frauen 50% oder mehr. Am geringsten ist der Frauenanteil in Ungarn mit knapp 31% und Finnland mit knapp 32%. Deutschland steht in diesem internationalen Vergleich nicht viel besser dar und hat lediglich einen Anteil von 34,5%.
Die Karte in Abbildung 2 verdeutlich, dass die Gleichstellung von Frauen in Wissenschaft und Technik vor allem in Nord-, Ost, und Südeuropa bereits erreicht oder fast erreicht ist. In diesen Ländern beträgt die Abweichung vom Mittelwert oft 5% oder mehr und nähert sich damit der 50%-Marke an oder hat sie wie in Spanien, Island, oder Norwegen bereits erreicht bzw. überschritten. Zentraleuropa hingegen weist eine negative Abweichung vom gesamteuropäischen Mittelwert auf, was insbesondere einige Kernländer der EU wie Frankreich, Italien und insbesondere auch Deutschland betrifft.
Doch wie hat sich die Gleichstellung in den Wissenschaften eigentlich in den letzten Jahren entwickelt? Einige wissenschaftliche Publikationen¹ liefern Hinweise darauf, dass hier insbesondere die Corona-Pandemie für eine Verschlechterung der Situation gesorgt hat, da es vor allem Frauen waren, die während der Pandemie die Care-Arbeit übernommen haben. Dieser Effekt lässt sich zum Teil auch auf Länderebene erkennen, wie Abbildung 3 zeigt. In dieser werden die Quoten in den Jahren 2020 und 2023 miteinander verglichen.
In einer Reihe von Ländern wie Griechenland, Slowenien oder Irland hat sich die Gleichstellung von Frauen im Bereich Wissenschaft und Technik seit 2020 verbessert, wie an den steigenden Quoten zu erkennen ist. In Griechenland ist beispielsweise ein Anstieg von knapp 41% auf 46% zu beobachten. Im EU-weiten Durchschnitt hingegen ist eine leichte Verschlechterung um lediglich 0,1% Prozentpunkte zu beobachten. Eine solche Stagnation, wenn die Veränderung weniger als ein halbes Prozent beträgt, findet sich in einer Reihe von Ländern, zu denen auch Deutschland gehört. In der Mehrheit der Länder hat sich die Quote zwischen 2020 und 2023 jedoch deutlich verschlechtert. Am stärksten war die Abnahme in Serbien und Portugal. In diesen betrug der Rückgang der Quote mehr als 5%. Moderat fällt sie hingegen in Ländern wie Dänemark oder Norwegen aus, in welchen etwa 0,8% weniger Frauen im Bereich Wissenschaft und Technik angestellt sind.
Und in der Fraunhofer-Gesellschaft? Laut Jahresbericht für das Jahr 2022 beträgt der Frauenanteil im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeitender ohne Führungsverantwortung 22%. Auch da ist noch Luft nach oben, wofür die Fraunhofer-Gesellschaft verschiedene Programme und Maßnahmen aufgelegt hat.
Es gibt viele Gründe für diese Unterrepräsentierung von Frauen gerade auch in den MINT-Fächern. Die hier vorliegenden Daten können hier nur insofern den Hinweis liefern, sich jene Länder anzusehen, die besonders gut (Norwegen) oder besonders schlecht (Ungarn) dastehen und zu analysieren, welche unterstützenden und welche hemmenden Strukturen und Faktoren dort existieren. Bleiben Sie auch hierbei neugierig und daten-getrieben! Wenn Sie in KATI nach Publikationen zu diesem Thema durchsuchen wollen – besuchen Sie uns auf der Hannover Messe am Fraunhofer Stand in Halle 2.
Links
¹ Gao, Jian ; Yin, Yian ; Myers, Kyle R. ; Lakhani, Karim R. ; Wang, Dashun: Potentially long-lasting effects of the pandemic on scientists. In: Nature Communications 12 (2021), Nr. 1, S. 6188, DOI 10.1038/s41467-021-26428-z