Zukunftsforschung ist vermutlich die einzige Wissenschaft, die ihr eigenes literarisches Genre besitzt. Während Materialwissenschaften oder Biotechnologie höchstens am Rande eines Romans oder Krimis eine Rolle spielen, ist Science-Fiction sozusagen das literarische Genre passend zum Forschungsgebiet Zukunftsforschung. In beiden Fällen ist die Zukunft das zentrale Thema und so stellt sich bereits seit geraumer Zeit die Frage, wie sich Science-Fiction – sowohl als literarische als auch als cineastische Gattung – für die Zukunftsforschung nutzen lässt. Dies war das Thema eines drei-tägigen Workshops im Xplanatorium in Hannover zum Thema Science-Fiction-Thinking. Wissenschaftler*innen mit sehr unterschiedlichen fachlichen Hintergründen haben sich dabei dem Thema aus sehr unterschiedlichen Richtungen genähert. Die daten-gestützte Perspektive wird in diesem Blog-Beitrag näher beleuchtet.
Zunächst präsentieren wir eine kurze Publikationsanalyse, welche das am Fraunhofer INT entwickelten KATI-System nutzt. In dessen Datenbank finden sich insgesamt 6.667 Publikationen, in deren Titel, Abstract oder Keywords der Begriff »Science-Fiction« auftaucht.
Diese Publikationen sind nicht gleichmäßig über die verschiedenen Wissenschaftsbereiche verteilt, wie Abbildung 1 zeigt. Der überwiegende Teil stammt aus den Geistes- und Sozialwissenschaften, während der Begriff in den Natur- und Ingenieurswissenschaften nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dort wird der Begriff immer mal wieder erwähnt, mit einer leicht ansteigenden Tendenz. Ganz anders stellt sich die Entwicklung im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften dar. Dort weist der Output an Publikationen einen Peak im Zeitraum zwischen 1981 und 1984 auf und fällt dann leicht auf eine Art Plateau ab (zwischen 1985 und ca. 2005). Ab 2004/2005 ist wieder eine klare Wachstumstendenz zu beobachten.
Als nächstes betrachten wir detaillierter, aus welchen Disziplinen die Publikationen stammen. Dazu nutzen wir die Kategorien, die das Web of Science zur Verfügung stellt. Das Ergebnis ist in Abbildung 2 dargestellt. Wenig überraschend, dominieren Publikationen aus dem Bereich der Literaturwissenschaften. Insgesamt stammen etwas mehr als 37% der Publikationen aus dieser Disziplin. Aus der Kategorie Film, Television & Radio hingegen stammen nur etwa 4% der Publikationen. Hierbei ist zu beachten, dass eine Publikation auf Basis des Journals, in dem sie erschienen ist, einer oder mehreren Kategorien zugeordnet wird.
Auf den hinteren Rängen finden sich unter anderem drei Kategorien, die den Natur- und Ingenieurswissenschaften zuzuordnen sind. Das sind aber jeweils weniger als 2% der Publikationen. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass in vielen Fällen Bezug auf Science-Fiction genommen wird, um beispielsweise technologische Entwicklungen zu bewerten oder einzuordnen. Science-Fiction selbst ist aber nicht das Thema der Publikation. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass in vielen Fällen Bezug auf Science-Fiction genommen wird, um beispielsweise technologische Entwicklungen zu bewerten oder einzuordnen. Science-Fiction selbst ist aber nicht das Thema der Publikation. So wird in dieser Arbeit die Idee, die menschliche Leistungsfähigkeit durch künstliche Gliedmaßen zu verbessern, zunächst in der Science Fiction verortet, die aber zunehmend realistisch werde.
Von Interesse ist nicht nur die Gesamtzahl der Publikationen in einer Kategorie, sondern auch deren zeitlicher Verlauf. Diese Art der Analyse ist in Abbildung 3 mittels sogenannter Small Multiples dargestellt. Es wird deutlich, dass es sehr unterschiedliche Entwicklungsdynamiken gibt. So zeigt die generelle Auseinandersetzung mit dem Thema in den Literaturwissenschaften (oben links) ein tendenziell lineares Wachstum. Andererseits entsteht der Eindruck, dass in der Kategorie Literary Reviews (oberste Zeile, zweiter von rechts) die Publikationsaktivitäten eher rückläufig sind. Ob dies ein Artefakt des Kategoriensystems ist oder ob tatsächlich weniger Buchrezensionen in Peer-Reviewed-Journals publiziert werden, lässt sich im Moment nicht beantworten.
Viele andere Kategorien weisen ein moderates Wachstum auf, beispielsweise History & Philosophy of Science (mittlere Reihe ganz links) oder Cultural Studies (mittlere Reihe ganz rechts).
Abschließend wird noch ein Blick auf die fiktionale Literatur geworfen. Hier ist es schwieriger an entsprechende Daten zu kommen. Eine Möglichkeit bietet der Ngram Viewer von Google. Dieser nutzt den Korpus der von Google eingescannte Bücher und erlaubt es diesen nach sogenannten N-Grammen zu durchsuchen, also Textfragmente mit einer bestimmten Anzahl an Wörtern. In Abbildung 4 zeigen wir beispielhaft den zeitlichen Verlauf einiger typischer Begriffe aus der Science-Fiction-Literatur wie Cyberspace oder Cyborg. Letzterer scheint in den letzten Jahren eine Art Renaissance zu erleben, während der verwandte Begriff Super Human eher ein Schattendasein fristet. Auch die klassische Space Opera oder der Cyberspace werden in den letzten Jahren seltener in der fiktionalen Literatur erwähnt. Dass der Begriff Climate Change zunehmend häufig in der fiktionalen Literatur erwähnt wird, ist hingegen wenig überraschend. In der Science-Fiction-Literatur gibt es dazu bereits ein eigenes Subgenre – die Climate Fiction.