Neue Technologien

Europäische Sicherheit & Technik

Das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT berichtet regelmäßig in der Zeitschrift "Europäische Sicherheit und Technik" über neue Technologien.

 

3D-Graphen Architekturen

Graphen ist ein zwei-dimensionales (2D) Material aus Kohlenstoffatomen. Seit seiner Entdeckung im Jahr 2010 hat es eine rasante Entwicklung durchlebt. Viele neue Anwendungen in der Elektronik, Sensorik, Katalyse und weiteren Bereichen wurden seither erforscht. Inzwischen gibt es intensive Bemühungen, aus diesen Materialien stabile drei-dimensionale (3D) Formen herzustellen, ohne dass die hervorragenden Eigenschaften der 2D-Strukturen wieder verloren gehen. Im Graphit, der klassischen 3D-Form des Graphens, ist das allerdings der Fall. Das Ziel bei der Entwicklung neuer 3D-Graphen-Architekturen (3D-GA) oder -Netzwerke ist es daher, nicht-graphische 3D-Strukturen zu schaffen, bei denen die Stapelung von Graphen weniger als zehn Graphen-Schichten umfasst. So werden die allgemeinen Eigenschaften von Graphen auch in der 3D-Struktur weitestgehend beibehalten. Für diese neuen deutlich stabileren und voraussichtlich leistungsstarken Graphen-Materialien wird ein breites Anwendungsspektrum erwartet, das im militärischen Kontext z. B. elektromagnetische Abschirmungen oder die Stabilisierung hochexplosiver Primärsprengstoffe umfassen könnte.

3D-GA können in eine Vielzahl unterschiedlicher räumlicher Strukturen eingeteilt werden, die von 100 Mikrometern in einer oder mehreren Dimensionen (Schäume, Schwämme, Aerogele, Filme und Fasern) bis hinunter zu wenigen Mikrometern (Pulver) reichen können. Im Inneren besitzen sie mikro- oder nanometergroße Poren. Die einzelnen Graphen-Schichten können dabei lediglich ungeordnet zusammengelagert oder fest über chemische Bindungen miteinander vernetzt sein. Letztere besitzen bei gleicher Massendichte eine höhere Integrität, was in der Regel auch mit besserer Leitfähigkeit und mechanischer Robustheit einhergeht.

Es existieren verschiedene Möglichkeiten der Herstellung, allerdings ist derzeit keine davon für eine Massenfertigung verwendbar. Eine gebräuchliche und relativ günstige Route startet mit reinem Graphenoxid (GO), mit dem zuerst ein 3D-Netzwerk aufgebaut wird. Anschließend werden die Sauerstoff-Atome durch eine chemische Reaktion entfernt. Aus solchem sog. reduzierten Graphenoxid (rGO) bestehende 3D-GA besitzen mehr strukturelle Defekte als direkt aus Graphen hergestellte 3D-GA, allerdings bei relativ geringen Herstellungskosten. Das derzeit am häufigsten verwendete Verfahren, das allerdings recht teuer ist, ist die sogenannte chemische Gasphasenabscheidung (CVD), bei der gasförmige Kohlenwasserstoffe (wie z. B. Methan, Ethylen oder Benzol) auf einer heißen, z. B. metallischen 3D-Gerüststruktur in Graphen umgewandelt werden. Das Metallgerüst wird anschließend aus der Struktur herausgeätzt. Über CVD hergestellte 3D-GA besitzen in der Regel eine bessere Qualität, da sie gut vernetzt und daher gut leitfähig sind. Derzeit werden zudem verschiedene Verfahren der additiven Fertigung erforscht. Sie können einerseits genutzt werden, um 3D-GA direkt zu drucken. Andererseits werden sie verwendet, um Metallgerüste für die CVD zu erzeugen.

Die Materialeigenschaften der hergestellten 3D-GA können über einen weiten Bereich variieren. Eigenschaften, wie Elastizität, mechanische Stärke, elektrische Leitfähigkeit oder Wärmeleitfähigkeit sind abhängig von den Verbindungen zwischen den einzelnen Graphen-Lagen und der Defektfreiheit der einzelnen Schichten über weite Strecken hinweg. Die Porengrößen und die Porenverteilung in den 3D-GA reichen von 1 bis über 100 Nanometern und haben so einen entscheidenden Einfluss auf die Dichte und das Gewicht der Materialien. Aktuell geht eine geringere Massendichte jedoch mit einer Verringerung der Leitfähigkeit und der mechanischen Steifigkeit einher. Daher ist die Herstellung eines 3D-Graphen-Gerüsts mit niedriger Dichte bei gleichzeitig hoher Leitfähigkeit weiterhin eine Herausforderung.

Potenzielle Anwendungen von 3D-GA sind sehr breit gestreut. Aufgrund ihrer geringen Dichte sind sie für diverse Leichtbauanwendungen, z. B. in der Raumfahrt, aber auch für die Adsorption und Filterung von Stoffen, z. B. zur Reinigung von wässrigen Lösungen oder als Gasspeicher, von Interesse.  Andere mögliche Anwendungsfelder umfassen Tissue Engineering, Sensorik, Elektronik, Katalyse oder Abschirmung (z. B. von thermischer Strahlung und elektromagnetischen Interferenzen).  In einem relativ neuen Ansatz wurden 3D-GA als sehr leichte Aktoren getestet, wobei das 3D-GA wiederholbar mit kurzen Stromimpulsen extrem schnell erhitzt wird. In den Poren des Netzwerks vorhandener und nachströmender Sauerstoff wird so zur Explosion gebracht. Damit wäre beispielsweise ein sehr präzises Pumpen oder ein sehr schnelles Schalten von Mikroventilen, ‑aktoren und -motoren möglich. 3D-GA können zudem als stabile Füllstoffe in Graphen-Verbundwerkstoffen dienen und so Probleme gängiger Graphen-Dispersion verringern, da sich Graphen-Plättchen bei hoher Konzentration während der Produktion im Matrix-Werkstoff (Polymer, Metall oder Keramik) wieder zu Graphit zusammenlagern können. 3D-GA können neben der mechanischen Verstärkung auch andere Eigenschaften wie elektrische und thermische Eigenschaften der Verbundmaterialien deutlich verbessern.

Obgleich in den letzten 10 Jahren eine Vielzahl an 3D-GA hergestellt wurde, sind derzeit nur einige sehr wenige Strukturen für sehr hohe Preise und nur in kleinen Mengen käuflich. Damit sind 3D-GA auch immer noch überwiegend in einem frühen Forschungsstadium. Herstellung und Charakterisierung der Materialien sind derzeit die drängendsten Herausforderungen, aber auch speziell designte 3D-GA und Kompositmaterialien werden erforscht. Treibend ist derzeit die Forschung im Bereich der Energiegewinnung und -speicherung. Gelingt hier ein Durchbruch in Bezug auf die Massenfertigung ist mit einer intensivierten Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in weiteren Anwendungsbereichen zu rechnen.

 

Dr. Diana Freudendahl