Wissenschaftsjahr »Unser Universum«: Fraunhofer-Technologien im Weltall

Fraunhofer INT-Strahlungssensor startet auf Heinrich-Hertz-Satellit ins All

Planeten, Satelliten und Raumfahrt – Das Wissenschaftsjahr 2023 stand unter dem Motto »Unser Universum«. Seit dem Jahr 2000 legen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Initiative Wissenschaft im Dialog jährlich ein Motto für das Wissenschaftsjahr fest. Zu diesem Thema werden dann über das Jahr verteilt wissenschaftliche Inhalte vermittelt und zahlreiche Aktivitäten wie Ausstellungen, Wettbewerbe und andere Dialogformate durchgeführt. Die Wissenschaftsjahre fördern den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und ermöglichen Bürger*innen einen einfachen Zugang zu Forschungsthemen. Im Jahr 2023 standen das Weltall und damit Themen wie Astronomie, die Anfänge und die Geschichte des Universums und drängende Fragen unserer Zeit wie er Klimawandel, Umweltschutz oder neue Energiequellen im Mittelpunkt.

 

Fraunhofer-Aktivitäten im Wissenschaftsjahr »Unser Universum«

Auch die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligte sich mit einigen Aktivitäten am Wissenschaftsjahr 2023. Zusammen mit der Fraunhofer-Allianz AVIATION & SPACE organisierte die Fraunhofer-Zentrale eine dreitägige Ausstellung mit dem Titel »Down to Earth Space Technology« im Fraunhofer-Forum in Berlin. Neben Ausstellungsstücken der Fraunhofer-Institute INT, EMI und FHR sowie Gemeinschaftsexponaten der Allianz, konnten sich die Teilnehmenden spannende Vorträge anhören, in einem Bürgerlabor selbst aktiv werden, an einer Kinderlesestunde teilnehmen und ein Science Café besuchen. Außerdem war Fraunhofer von Mai bis Oktober auf der MS Wissenschaft vertreten, einem Ausstellungsschiff das als Science Center fungiert und mit wissenschaftlichen Ausstellungen durch Deutschland und Österreich tourt. Auch dort konnten sich die Besucher*innen Exponate von verschiedenen Fraunhofer-Instituten, unter anderem dem Fraunhofer INT, in der Ausstellung anschauen und zusätzlich beim Stopp im Bonner Hafen Anfang August an einem Bürgerlabor Workshop für Kinder teilnehmen, bei dem die Größe eines Staudamms mithilfe von Satellitenbildern bemessen wurde. Mit Blick auf das durch Raumfahrt geprägte Wissenschaftsjahr war für das Fraunhofer INT im Jahr 2023 das größte Highlight jedoch die Beteiligung an der Heinrich-Hertz-Mission in Form eines Strahlungssensors, der an Bord des Satelliten verbaut ist.

 

Die Heinrich-Hertz-Mission

Ziel der Heinrich-Hertz-Mission ist es, neue Technologien für die Satellitenkommunikation unter realen Bedingungen auf ihre Weltraumtauglichkeit zu testen und Experimente zur Kommunikations-, Antennen- und Satellitentechnik durchzuführen. Satelliten sind im Weltraum zahlreichen Herausforderungen ausgesetzt, darunter extreme Temperaturen, aber auch Strahlung. Diese Bedingungen führen im schlimmsten Fall zum Ausfall der Technik. Um dieses Risiko zu minimieren, durchläuft der Satellit mit dieser Mission die sogenannte In-Orbit-Verifikation. Wenn die Komponenten den Härtetest auf dieser Mission erfolgreich überstehen, wird das Ausfallrisiko beim Einsatz auf zukünftige Missionen deutlich minimiert. Am 6. Juli 2023 ist der knapp 3,5 Tonnen schwere Heinrich-Hertz-Kommunikationssatellit an Bord der letzten Ariane-5-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch Guiana gestartet. Nach dem Erreichen des Orbits kreist der Satellit 15 Jahre lang auf einer geostationären Umlaufbahn in einer Höhe von 36.000 Kilometern und befindet sich dadurch immer über der gleichen Stelle der Erdoberfläche. Die Heinrich-Hertz-Mission wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und mit Beteiligung des Bundesministeriums der Verteidigung durchgeführt.

 

Fraunhofer INT entwickelt Strahlungssensor für die Heinrich-Hertz-Mission

An Board des Heinrich-Hertz-Satelliten befindet sich der am Fraunhofer INT entwickelte On-board Radiation Sensor (FORS), der bei dieser Mission zum ersten Mal zum Einsatz kommt. Der Sensor misst intensive Strahlenereignisse im Orbit, um die strahlungsempfindlichen Bauteile des Satelliten je nach Strahlungsniveau zu schützen. Konkret misst der FORS die Dosis bzw. die Teilchenflüsse auf Trägern für elektronische Bauteile, den sogenannten Leiterplatten. Auf diesen befinden sich in unmittelbarer Nähe die zu schützenden strahlungsempfindlichen Bauteile. Bei intensiven solaren Strahlungsereignissen im Orbit kann ein plötzlicher Anstieg der Teilchenflüsse erheblichen Schaden verursachen. Die Messungen geben Hinweise darauf, wann adaptive Techniken zur Minimierung der Strahlungswirkung eingesetzt werden müssen, um elektronische Bauteile des Satelliten zu schützen. Die Messungen sollen außerdem dazu beitragen, ein besseres Verständnis für die Strahlungsumgebung der Satellitentechnik unter realen Bedingungen zu bekommen. Das könnte zukünftigen Missionen helfen, da genauere Daten zur Verfügung gestellt werden können. Erkenntnisse aus dieser Mission sind außerdem für Satellitenhersteller oder -betreiber von enormer Wichtigkeit.

 

Der On-Board-Prozessor des Fraunhofer IIS

Die Sensoren des Fraunhofer INT befinden sich in der Box des Fraunhofer On-Board-Prozessors (FOBP). Dieser wurde am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen entwickelt und kommt ebenfalls zum ersten Mal im Rahmen dieser Mission zum Einsatz. Herkömmliche Kommunikationssatelliten waren bisher darauf beschränkt, Daten zu empfangen und weiterzuleiten. Der Fraunhofer On-Board-Prozessor (FOBP) hingegen filtert und verarbeitet die empfangenen Informationen bereits an Bord des Satelliten. Er kann von der Erde aus neu konfiguriert und somit jederzeit an neue Kommunikationsstandards angepasst werden. Der Satellit kann also während der Mission seine Fähigkeiten im Weltraum weiterentwickeln. Damit dient er ebenfalls als Testumgebung für neue Satellitenkommunikationssysteme.

 

Bestrahlungstests am Fraunhofer INT 

Das Fraunhofer INT war allerdings nicht nur mit dem FORS an der Heinrich-Hertz-Mission beteiligt. Im Vorfeld führten Wissenschaftler*innen des Fraunhofer INT verschiedene Strahlungssimulationen an elektronischen und optischen Komponenten des Heinrich-Hertz-Satelliten durch. Da im Weltall eine erhöhte Strahlungsbelastung durch kosmische und solare Strahlung auftritt, müssen bei Weltraum-Missionen im Vorfeld einige Vorkehrungen getroffen werden. Die Strahlung kann Teile von Satelliten wie die Elektronik oder optische Komponenten (Linsen in Kameras oder Teleskopen, Laserkommunikationssysteme etc.) beschädigen und unbrauchbar machen. Daher werden diese Bauteile bevor sie ins Weltall geschickt werden Tests unterzogen, um zu überprüfen wie sie auf die erhöhte Strahlung reagieren. Anschließend können dann passende Maßnahmen getroffen werden, um die Komponenten zu schützen und ihre Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Diese Tests wurden am Fraunhofer INT mithilfe einer Cobalt-60-Gammabestrahlungsanlagen durchgeführt.