Bioinspirierte Sensoren
Das Lernen von der Natur und die Umsetzung dessen in der Technik ist seit Jahrzehnten ein stärker werdender Trend. Neben der Nachahmung von spezifischen Oberflächen oder Mechanismen sind auch hervorragend ausgeprägte sensorische Fähigkeiten von Tieren oft ein Vorbild für technische Nachbildungen. Hier findet man oft empfindlichere und leistungsfähigere sensorische Systeme und Fähigkeiten als bisher in der Technik umsetzbar. Ebenso findet man hier neben den klassischen Sinnessystemen, wie dem Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Tasten noch weitere sensorische Systeme wie die Echoortung, Elektroortung, Mechanosensorik oder auch die Wahrnehmung von Infrarot- und Ultraviolett-Strahlung.
Wenn man ein komplettes Sinnessystem oder dessen Funktion versucht biomimetisch nachzubilden, gibt es zwei unterschiedliche Ansätze. Zum einen kann die morphologische, bzw. innere Struktur eines Sinnessystems nachgeahmt werden, oder aber es wird versucht, ausschließlich den Funktionsmechanismus zu kopieren. Für die Übertragung eines speziellen Funktionsmechanismus gilt beispielsweise ein Roboter, der an der Echoortung von Fledermäusen orientiert, Ultraschall-Lautsprecher und Ultraschall-Mikrophone nutzt und diese Informationen zur Orientierung in der Umgebung verwendet. Eine strukturelle Nachbildung kann man bei 3D-gedruckten Hundenasen finden, die ein wesentlich feineres Detektieren (16- bis 18-fach) von Stoffen durch die Nachbildung der äußeren aerodynamischen Eigenschaften ermöglichen. Ebenso kann eine strukturelle Nachbildung vom Innenohr mit flüssigkeitsgefüllten Kanälen Schallwellen besser weiterleiten, als eine nicht dem Ohr nachempfundene Struktur.
Das Anwendungsfeld für bioinspirierte Sensoren ist groß und findet Verwendung in vielen verschiedenen Bereichen. Bioinspirierte chemische Sensoren, die sich an den Strukturen von Mottenantennen orientieren und eine um den Faktor 1000 höhere Sensitivität aufweisen als klassische Sensoren und damit der Empfindlichkeit von Drogenspürhunden entsprechen, können beispielsweise bei der Detektion von Sprengstoff oder anderen Chemikalien zum Einsatz kommen. Aus verschiedenen Materialien wie Polyurethan und Graphen können mittlerweile mittels 3D-Druck Strukturen wie beispielsweise die Schnurrhaare von semi-aquatischen Lebewesen sehr naturgetreu nachgebildet und zur besseren Detektion von Strömung bei Unterwasserrobotern eingesetzt werden. Auch Drucksensoren sind oft dem taktilen System des Menschen nachempfunden und finden ihren Einsatz vermehrt in der Robotik. Teils werden auch nur einzelne Sinneszellen nachgebildet oder die neuronalen Strukturen zur Reizverarbeitung kopiert. Mit einer Kombination aus bioinspirierten Sensoren und einer Nachbildung von neuronal verarbeitenden Strukturen erhofft man sich in Zukunft nicht nur eine Leistungsverbesserung, sondern auch Vorteile im Bereich des Energieverbrauchs.
Auch Systeme oder Funktionen aus dem Tierreich, die selbst keine sensorischen Fähigkeiten aufweisen, können als Inspiration dienen und in der technischen Umsetzung beeindruckende sensorische Funktionalitäten aufweisen. Beispiele hierfür sind Sensoren auf Basis von bioinspirierten synthetischen Nanoporen zur Analyse und Detektion von giftigen Stoffen in Wasser und Lebensmitteln oder auch die Verfärbung der Hautfarbe des Truthahns, an dem für Artgenossen sein Gemütszustand abzulesen ist. Technisch interessant ist hierbei der Funktionsmechanismus hinter der Farbveränderung, wobei Kollagenfaserbündel durch veränderten Blutfluss in ihrem Abstand zueinander so variiert werden, dass die unterschiedlichen Lichtbrechungseigenschaften zu einer Farbveränderung der Haut führen. Dieses natürliche Vorbild diente der Entwicklung eines Smartphone-Sensors zur Detektion von Giftstoffen. Allgemein kann man sagen, dass das Feld der bioinspirierten Sensorik breit aufgestellt ist und jetzt schon weitreichende Möglichkeiten und vielfältige Einsatzbereiche aufweist.