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Vitrimere

Die Entwicklung von energieeffizienten Transportmitteln, vom Fahrrad über PKWs bis hin zu Raketen, ist immer auch mit einer Suche nach neuen, besseren Materialien verbunden. Diese sollen in der Regel leichter und vor allem kostengünstiger als bisherige Alternativen sein. In der heutigen Automobilindustrie ist zudem der Aspekt der Nachhaltigkeit ein wesentlicher Treiber für entsprechende Innovationen. Grundsätzlich können hier Kunststoffe im Hinblick auf Fahrzeuggewicht, -sicherheit, -komfort und Umweltbilanz wertvolle Beiträge liefern.

Eine neue spezielle Klasse von polymeren Materialien, die Vitrimere, kann in diesem Kontext wertvolle Beiträge liefern. Vitrimere zeichnen sich durch sogenannte dynamische kovalente Bindungen aus, die es ermöglichen, die polymere Netzwerkstruktur bei erhöhten Temperaturen umzuordnen, ohne dabei die Integrität des Materials zu verlieren. Damit kombinieren Vitrimere die positiven Eigenschaften von Thermoplasten und Duromeren. Zum einen lassen sie sich recyclen und wiederverarbeiten. Zum anderen weisen sie durch die starke Vernetzung eine hohe thermische Stabilität und mechanische Festigkeit auf. Dementsprechend können sie auch als Verbundwerkstoffe verwendet werden, wobei sie als Matrixwerkstoff für unterschiedlichste Fasern dienen können. Des Weiteren eignen sie sich z. B. als stabile selbstheilende Materialien, Formgedächtnismaterialien, Klebstoffe oder faserverstärkte Komposite in Branchen wie Automobilbau, Luft- und Raumfahrt sowie der Medizin.

Aus chemischer Sicht gehören Vitrimere zu den kovalenten adaptiven Netzwerken (covalent adaptable networks, CAN). Dabei handelt es sich um dynamisch vernetzte Polymere, deren chemische Bindungen zuverlässig an verschiedenen Positionen der organischen Polymerketten getrennt und wieder verbunden werden können. Strukturelle Schäden oder ein dauerhafter Verlust der Materialeigenschaften können so minimiert bzw. vermieden werden. Für das Brechen der stabilen chemischen Bindungen werden einem CAN entsprechende Katalysatoren zugesetzt. 2011 nutzen Wissenschaftler dazu erstmals einen Katalysator, der beim Erhitzen des Materials nur zu einem allmählichen Viskositätsabfall des Materials führte. In der Regel führt das Erhitzen von Kunststoffen entweder zur Zersetzung oder einem schnellen Viskositätsabfall an der sogenannten Glasübergangstemperatur. Diese graduelle Veränderung der Viskosität, eigentlich ein charakteristisches Merkmal von glasartigem Siliziumdioxid – sogenanntes vitreous silica – war neu und führte in Anspielung auf die Eigenschaften des Siliziumdioxids zu ihrer Benennung – Vitrimere.

Seitdem wurde die Palette der Vitrimere deutlich erweitert. Eine direkte Herstellung kann durch die Polymerisation von multifunktionellen Monomerbausteinen erfolgen. Es ist jedoch auch möglich und zumeist kostengünstiger, herkömmliche thermoplastische Kunststoffe entsprechend zu vernetzen. Wie bei anderen Kunststoffen ist es zudem auch mit Vitrimeren möglich, Komposit-Materialien herzustellen, was im Hinblick auf die unterschiedlichen Anwendungsbereiche von großem Vorteil ist. Vitrimer-Nanokomposite können dabei mit Nanofüllstoffen, wie z. B. Kohlenstoff-Nanoröhrchen, Graphen oder Siliziumdioxid verstärkt und in ihren Eigenschaften modifiziert werden. Insgesamt wurden so bereits (mikro)strukturelle, mechanische, thermische und elektrische Eigenschaften positiv beeinflusst. Aber auch faserverstärkte Vitrimere spielen eine Rolle, sie könnten durch ihre Rezyklierbarkeit unter anderem auch entscheidend zur Reduktion von schwer recyclebaren karbonfaserverstärkten Komposit-Abfällen beitragen. Vitrimere die beispielsweise auf Lignin, Zellulose, Pflanzenölen oder anderen natürlichen Verbindungen (z. B. epoxidiertem Sojaöl) beruhen, können durch die Einführung dynamischer kovalenter Bindungen auch als Bausteine biobasierter Vitrimere genutzt werden.

Insgesamt wurden in der recht jungen Vitrimer-Forschung bereits spannende Fortschritte erzielt. Da sie gut recycelt werden können und beispielsweise auch schweißbar sind, erscheint bereits jetzt eine große Vielfalt an Anwendungen möglich. Im Automobilbereich sind sie neben strukturellen Einsatzbereichen auch für intelligente und digitale flexible Elektronik, elektromagnetische Abschirmungen, Korrosionsschutzbeschichtungen und Sensoren denkbar. Mit weiterer Forschung und mittelfristig marktreifen Produkten aus Vitrimeren kann gerechnet werden.  

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im März 2025 veröffentlicht.

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