Autor: Dr. Marian Lanzrath
Bau einer neuen Experimentierhalle, in der eine Absorberkabine für experimentelle EMV-Untersuchungen sowie eine Schirmkabine für den zentralisierten Betrieb von Hochleistungsmikrowellenquellen untergebracht werden.
Um die Störfestigkeit von elektrischen Geräten gegenüber elektromagnetischen Wellen hoher Leistung sowie deren Störaussendung umfassend untersuchen zu können, wurden in Begleitung des technischen Fortschritts in der Vergangenheit am Fraunhofer INT mehrere Testumgebungen und eine Vielzahl von Signalquellen sowie Messgeräten zusammengestellt. Zur systematischen Ergänzung dieses Anlagenportfolios wurde im Rahmen der Fraunhofer-internen Förderprogramme Unterstützung für die Errichtung einer neuen Experimentierhalle beantragt. In ihr sollte zum einen eine Absorberkabine, die vor allem bei klassischen Prüfungen von elektronischen Geräten auf Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) sowie in der Automobilbranche verwendet wird, und zum anderen eine Schirmkabine zum Betrieb von Hochfrequenzquellen installiert werden. Durch deren Unterbringung an zentraler Stelle können alle Testumgebungen flexibel und effizient mit dem gesamten Quellenportfolio betrieben werden.
Planungs-/Bauphase
Die Planungs- und Bauzeit der neuen Experimentierhalle sowie deren technischer Ausrüstung umfasste mehrere Jahre. Die größten Herausforderungen der Projektierung lagen dabei vor allem bei der Planung der Aufstellflächen für die zwei Schirmkabinen bei einem begrenzten Platzangebot sowie bei der Erfüllung weiterer spezifischer Anforderungen. Hierzu zählten die überdurchschnittlich hohe Ebenheit der Kabinenaufstellfläche, die notwendige Klimatisierung der Hochfrequenzverstärker sowie die Bereitstellung deren elektrischer Anschlussleistung. Beim eigentlichen Bau kam es dann trotz einer detaillierten Planung immer wieder zu Verzögerungen, beispielsweise durch unvorhergesehene Funde bei den Tiefbaumaßnahmen oder auch wegen der Corona-Pandemie.
Technische Eigenschaften der neuen Kabinen
Die bei Empfindlichkeitstests von Geräten abgestrahlten elektromagnetischen Felder dürfen zum Schutz der Umgebung nicht nach außen abgestrahlt werden, weshalb schon die Wandung der neuen Absorberkabine dicht gegen elektromagnetische Wellen ausgeführt sein muss. Zudem ist sie von innen auch noch mit Absorbern ausgekleidet, welche elektromagnetische Wellen absorbieren. Sie kann flexibel entweder als reflexionsfreie (FAC - Fully-Anechoic-Chamber) oder reflexionsarme (SAC – Semi-Anechoic-Chamber) Kammer umgerüstet und für viele normierte EMV-Testverfahren verwendet werden. Für den zweiten genannten Betriebsmodus werden die modular ausgelegten Bodenabsorber entfernt, womit die in einer realen Situation bei Einstrahlung im Außenraum vorkommenden Reflexionen am Boden nachgebildet werden. Zusätzlich eignet die Kammer sich zur Unterstützung weiterer Betätigungsfelder des Geschäftsfeldes, wie die Vermessung von Antennen und individuell angefertigter Feldmesssonden.
Der Hallenneubau ist zudem so konzipiert, dass alle im Labor zur Verfügung stehenden Hochleistungsquellen in einer neuen Verstärkerkabine zusammengezogen werden können. Deren zentrale Position im Laborbereich erlaubt es, neben der direkt benachbarten neuen Absorberkabine auch alle bereits vorhandenen Testumgebungen in unmittelbarer räumlicher Nähe zu positionieren und über eine flexible Schaltmatrix mit den benötigten Testsignalen zu versorgen. Durch die kurzen Kabelwege werden Signalverluste minimiert, zu Gunsten der zum Testen erzeugbaren Spitzenfeldstärken. Die Wandung der Verstärkerkabine ist in der gleichen Schirmbauweise wie bei der Absorberkabine ausgeführt, da beim Betrieb von Hochleistungsverstärkern in deren Umfeld Störstrahlung entstehen kann. Wegen der gleichzeitig anfallenden Abwärme muss zudem für eine leistungsfähige Klimatisierung gesorgt werden.
Technische Ausstattung
Die grundlegende Schirmwirkung wird bei beiden Kabinen durch modulare metallische Außenwände erzielt. An der Innenseite der Absorberkabine reduziert eine vollflächige Auskleidung mit Ferrit- und Pyramidenabsorbern zudem unerwünschte Reflexionen bis zu Frequenzen von 40 Gigahertz. Ein Drehteller mit einem Durchmesser von 1,5 Metern sowie einer Nutzlast von 500 Kilogramm und ein Antennenmast mit automatisierter Polarisationsumschaltung zählen ebenso zur Ausstattung wie die Bereitstellung von GPS-Signalen für die Prüflinge sowie Spezialkameras zur visuellen Überwachung während der Experimente. Dazu kommt lichtwellenleiterbasierte Kommunikationstechnik, um bei Prüflinge mit zugänglichen Datenschnittstellen auch deren innere Abläufe beobachten zu können. Damit in der Verstärkerkabine alle Hochfrequenzquellen betrieben werden können, verfügt diese über eine elektrische Anschlussleistung von 86 Kilowatt. Alle hineinführenden Leitungen sind mit Hochfrequenzfiltern versehen und eine Klimaanlage sorgt wie in einem Serverraum für die Abfuhr der Abwärme der Gerätschaften. In neun 19“-Serverracks können die Hochfrequenzquellen, deren Steuergeräte sowie die umfangreichen Schalteinrichtungen zur Signalverteilung installiert werden.
Benefit für das Geschäftsfeld EME
Die Absorberkabine erweitert die bereits im Geschäftsfeld seit vielen Jahren betriebenen Testumgebungen bestehend aus Modenverwirbelungskammer, TEM-Wellenleiter, Bulk-Current-Injection und kleiner Absorberkabine um Möglichkeiten für Untersuchungen mit und an Antennen bei veränderbaren Reflexionseigenschaften des Bodens und Messabständen von bis zu 3 Metern. Durch eine Rundumausstattung der Absorberkabine mit Ferrit- und Pyramidenabsorbern, jeweils konfiguriert für den Betrieb als FAC oder SAC, werden in der Kammer normenkonforme Compliance- und Pre-Compliance-EMV-Tests auch im zunehmend anwendungsrelevanten hohen Frequenzbereich bis 40 Gigahertz möglich. Zudem können bisherige Aktivitäten des Geschäftsfeldes wie die Vermessung von Antennen oder Eigenbaufeldsonden deutlich effizienter und umfänglicher vorgenommen werden.
Anstehende Arbeiten für 2021
Nach Übergabe des Laborbereichs steht im laufenden Jahr die Inbetriebnahme der Absorberkabine als neue Messumgebung auf der Agenda. Weiterhin muss auch die technische Ausrüstung des Verstärkerraums installiert und in Betrieb genommen werden. Zudem entstehen vor der Absorberkabine ein neuer Messplatz sowie Lagerflächen für das benötigte Messequipment und, bei Betrieb der Kammer als SAC, die nicht verwendeten Bodenabsorber. Weiterhin müssen auch Arbeiten an den bestehenden Testumgebungen durchgeführt werden, damit die Signalwege von den Verstärkern zu den Testumgebungen möglichst kurz sind. Hierzu muss der große TEM-Wellenleiter mit einer Gesamtlänge von etwa 12 Metern sowie einer Breite und Höhe von etwa 4 Metern innerhalb der bestehenden geschirmten Halle um 180° gedreht werden. Um dies bewerkstelligen zu können, muss der Wellenleiter in drei Teilsegmente zerlegt, einzeln gedreht, an den finalen Bestimmungsort verschoben und dann wieder zusammengesetzt werden. Außerdem muss die Modenverwirbelungskammer als Ganzes in die entgegengesetzte Ecke der geschirmten Halle versetzt werden. Nach dem Umzug auf die neuen Verwendungsorte müssen beide Testumgebungen im Anschluss wieder in Betrieb genommen und validiert werden. Zu guter Letzt stehen noch Arbeiten zur Digitalisierung des Labors auf dem Plan der Arbeitsgruppe, diese umfassen vor allem die Automatisierung der Signalerzeugung und -verteilung sowie die Automatisierung von Messroutinen.