Autor: Dr. Thorsten Pusch
Zusammen mit einer deutschen und einer schwedischen Partnereinrichtung wurde ein Referenztestaufbau entwickelt, der als stabile Größe in erweiterten Verfahrens- und Laborvergleichen neue Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der bisher kodifizierten Testnormen eröffnet.
Im Rahmen des Geschäftsfeldes »Elektromagnetische Effekte und Bedrohungen« (EME) wird schon seit Jahrzehnten an den störenden Auswirkungen von starken elektromagnetischen Feldern auf den Regelbetrieb von elektronischen Gerätschaften und Systemen geforscht. Als Spezialdisziplin der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) spricht man hier von High Power Electromagnetics (HPEM) oder auch Intentional Electromagnetic Interference (IEMI). Im letzteren Fall wird zusätzlich auch eine Absicht zur schädlichen Einwirkung impliziert. Vergleichbare Fragestellungen werden beispielsweise auf nationaler Ebene mit militärischer Schwerpunktsetzung beim Wehrwissenschaftlichen Institut für Schutztechnologien – ABC-Schutz (WIS) in Munster verfolgt. Aber auch auf internationaler Ebene finden sich ähnliche Fachforschungseinrichtungen.
Normen zur Vereinheitlichung von Testverfahren
Den Bestrebungen, die Robustheit von Geräten gegen außergewöhnliche Störeinstrahlung labortechnisch zu untersuchen, ist gemein, dass auf eine Anzahl nationaler und internationaler Normenschriften zurückgegriffen werden kann. Dort werden beispielsweise Vorgaben für die Ausgestaltung und Durchführung von Belastungstests gemacht. Dabei werden zudem verschiedene Arten von Testeinrichtungen berücksichtigt und inklusive zulässiger Toleranzen in ihren physikalisch-technischen Eigenschaften näher spezifiziert.
Allerdings stellen sich hier im Zuge der stetigen Weiterentwicklung der Normenvorschriften eine Reihe von Fragen. Der Transfer von Messergebnissen zwischen verschiedenartigen Testeinrichtungen ist ebenso von Interesse, wie der Direktvergleich von nominell zumindest gemäß Normenvorschriften gleichwertigen Umgebungen. Von Produktnormen der industriellen EMV sind auch detaillierte Vorgaben bezüglich der Ausgestaltung von Versuchsaufbauten bekannt, die zielführend für den Bereich der Hochleistungstests adaptiert werden könnten.
Unsicherheitsbudget in der Prozesskette
Um auch unter Umständen subtilere Effekte im Zusammenhang mit Testgestaltung und -durchführung aufspüren zu können, gilt es das Unsicherheitsbudget solcher Messungen mit und an hochfrequenten Wechselfeldern kritisch einzuordnen. Neben Schwankungen bei der Signalerzeugung und -weiterleitung kann auch die Testeinrichtung selbst, in der ein Prüfling mit den Störfeldern beaufschlagt wird, Eigenheiten bezüglich der Verteilung der Feldenergie aufweisen. Zusätzlich kommt es meist bei den Tests auch noch auf Ausrichtung, Verkabelung und Betriebszustand des jeweiligen zu testenden Geräts an. Um all diese Einflüsse auf das Unsicherheitsbudget besser kontrollieren zu können, bietet sich die Konzeption eines definierten Referenzprüflings an. Durch sein stabiles Ansprechverhalten können dann Eigenheiten in Signalkette und Testumgebung klarer herausgearbeitet werden.
Kooperationsprojekt zur Weiterentwicklung der Testmethoden
Im Rahmen eines Technical Agreements zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden wurde ein Forschungsprojekt aufgesetzt, in welchem unter Beteiligung von Fraunhofer INT, WIS Munster und der Schwedischen Behörde für Verteidigungsforschung (FOI) die oben genannten Fragstellungen vertieft werden sollen. Kernkomponente der Aktivitäten ist ein eigens konzeptionierter Referenzprüfaufbau, der einen generischen Prüfling aus dem Bereich der IT-Systeme repräsentiert. Diese Vorgabe bildet die zunehmende Relevanz von Computersystemen in allen möglichen gesellschaftlichen Prozessen ab, speziell auch in kritischen Infrastrukturen. Neben den bestehenden Partnern wird weiteren Laboren die Teilnahme offengestellt, um die Datenbasis erhöhen und weitere Erkenntnisse in Vergleichsmessungen gewinnen zu können.
Konzeption eines Referenztestaufbaus
Das letztendlich umgesetzte Konzept eines Referenztestaufbaus beruht auf einem Einplatinenrechner der Raspberry Pi-Familie von Systemen, welcher noch um Zusatzhardware ergänzt wurde. Neben einem digitalen Kameramodul wird über eine Analog-Digital-Wandlerplatine auch eine analoge Sensorkomponente eingeführt. Zur Minimierung von externen Einflüssen wurde die Möglichkeit zum autarken Batteriebetrieb implementiert. Die einzige Verkabelung nach außen hin besteht in einer Glasfaserverbindung zur seriellen Kommunikation zwischen Testwarte und Prüfumgebung. Durch die Unterbringung aller Komponenten auf einem quadratischen Hartschaumbrett von 40 cm Kantenlänge sind auch normenkonforme Messungen in Testeinrichtungen mit kleinem Prüfvolumen möglich.
Während der Belastungstests kann der/die Operateur*in auf einem PC im Kontrollraum der jeweiligen Testeinrichtung den Systemzustand auf einer eigens dafür eingerichteten grafischen Nutzeroberfläche nachverfolgen. Sie gibt per farblich abgestimmte Anzeigeelemente über das Auftreten aller auf Grundlage von Explorationsmessungen definierten Fehlerbilder direkten visuellen Aufschluss.
Bisherige Erfahrungen und Forschungsperspektiven
Das System tut sich mit vielseitigem, stabilem Ansprechverhalten hervor. In mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichungen konnten weitere Eigenschaften beleuchtet werden, beispielsweise bezüglich der moderaten Serienstreuung der Kernkomponente, der guten Wiederholungsgenauigkeit von Einzelmessungen sowie der Abhängigkeit der Systemreaktion von der Einstrahlungsrichtung. Auch der Einfluss einer zeitlichen Variation der typischerweise intermittierend ausgelegten Prüfsignale konnte beleuchtet werden, ebenso wie das Systemverhalten für verschiedene Auslegungen seiner Komponentenverkabelung.
Aktuell laufende Untersuchungen beziehen sich auf den Vergleich verschiedener Testumgebungen und Labore. Die bisher gewonnenen Ergebnisse sollen bis zum Ende der Projektlaufzeit im Herbst 2022 in eine Datenbank eingespeist und damit für weitere Analysen zugänglich gemacht werden.