EU Horizont-2020-Projekt C-BORD: Containerkontrolle an Grenzstationen und in Häfen
Frachtcontainer spielen eine zentrale Rolle im globalen Handel. Jedes Jahr passieren Millionen davon die Grenzen Europas, sowohl zu Lande als auch zu Wasser. Die Kontrolle dieses Warenstroms ist eine immense Herausforderung. Illegale oder gar gefährliche Güter müssen identifiziert werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten allgegenwärtigen terroristischen Aktivitäten ist klar: Schmuggel von Waffen, Explosivstoffen, biologischen oder chemischen Schadstoffen oder gar nuklearem Material kann zu unabsehbaren, katastrophalen Folgen führen. Andererseits erfordert die Wirtschaft einen flüssigen Warenverkehr. Daher arbeiten Zollbehörden weltweit beständig daran, die Inspektionsprozesse zu verbessern, sowohl mit technischen als auch organisatorischen Neuerungen.
Diesem Ziel diente auch das europäische Verbundprojekt C-BORD – Effective Container inspection at BORDer control points. Dieses Projekt wurde von der Europäischen Kommission nach einer entsprechenden Ausschreibung im Themenbereich „Sichere Gesellschaften“ des Forschungsrahmenprogrammes „Horizon 2020“ gefördert und im Dezember 2018 erfolgreich abgeschlossen. Das Fraunhofer INT war hier gemeinsam mit 17 Partnern aus 9 europäischen Ländern – darunter auch die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg – daran beteiligt, ein komplexes System für eine verbesserte Containerkontrolle zu entwickeln. Die Praxisnähe des Projektes spiegelt sich unter anderem in der Tatsache, dass neben Universitäten und Forschungsinstituten auch Zollbehörden als Konsortialpartner eine wichtige Rolle spielten. In dreieinhalbjähriger Arbeit wurden einzelne Technologien zur zerstörungsfreien Detektion weiter entwickelt, getestet und schließlich zu einem Gesamtsystem verbunden, das es ermöglicht, die Daten kombiniert auszuwerten und über Datenfusion mehr Informationen zu erhalten als es eine separate Analyse – wie bislang üblich – erlaubt. Bedienen lässt sich das Ganze über eine spezielle graphische Benutzeroberfläche, in die auch Elemente zur Entscheidungsunterstützung integriert wurden.
Die Basis des Systems C-BORD bildeten Weiterentwicklungen auf fünf Technologiefeldern:
1. Passive Detektion von Radioaktivität mit Portalmonitoren
Eine verbesserte Detektion und vor allem Identifikation von radioaktivem Material war Ziel bei der Weiterentwicklung von Portalmonitoren mit unterschiedlichen Nachweistechniken. So konnten flexible, ad hoc einsetzbare, dabei zugleich effiziente und kostengünstige Lösungen gefunden werden. Der Identifikation kam hier große Bedeutung bei der Reduzierung von Fehlalarmen aufgrund von natürlicherweise radioaktiven Materialien wie Keramik oder Dünger zu.
2. Verbesserte Röntgenbildgebung
Auch im Bereich der klassischen Analyse per Röntgendurchleuchtung wurden deutliche Verbesserungen erzielt. So konnten Bildverzerrungen reduziert werden, die sich im sogenannten “Mobile Mode” ergeben, wenn die Röntgenapparatur anstelle des Containers bewegt wird, um ein Bild zu scannen. Des weiteren wurde eine neue Darstellung zur Materialunterscheidung entwickelt, mit der Objekte im Container besser identifiziert werden können.
3. Flexible Neutroneninterrogation mit markierten Neutronen (Rapid Re-locatableTagged Neutron Interrogation System)
Bei dieser speziellen Neutroneninterrogation handelt es sich um ein etwas zeitaufwändigeres Verfahren, das bei bestimmtem Verdacht zusätzlich als “Second Line”-Inspektion eingesetzt werden soll. Hierbei wird der Container mit Neutronen bestrahlt und aus der resultierenden Gammastrahlung auf die Zusammensetzung der Fracht geschlossen – das Verhältnis von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff kann etwa Explosivstoffe anzeigen, oder auch Drogen und Zigaretten. Neue Algorithmen zur Materialklassifikation wurden entwickelt und erfoglreich getestet.
4. Photofission
Wie die Neutroneninterrogation wurde auch die Photofission-Technik als “Second Line”-Inspektion konzipiert. Das Verfahren nutzt praktischerweise denselben Linearbeschleuniger wie ein Hoch-Energie-Röntgenscanner, wobei winzige Flugzeitunterschiede der emittierten Teilchen analysiert werden. So lässt sich spezielles nukleares Material entdecken, selbst wenn dies hinter Abschirmungen versteckt ist.
5. Verdampfungsbasierte Detektion
Mit einem speziell entwickelten Probenentnahmesystem werden bei diesen Verfahren Luftproben aus den Containern gesaugt, die dann auf flüchtige organische Komponenten hin untersucht werden. Über Maschinenlernen kann das System trainiert werden, bestimmte Muster von Spurenteilchen zu erkennen und soll so etwa Drogen oder Explosivstoffe identifizieren.
Dem Fraunhofer INT kam im C-BORD-Konsortium die Rolle zu, das Arbeitspaket “Standards, Technologie-Assessment und Systemvalidierung“ zu koordinieren und sich fachlich insbesondere in den Bereichen der Detektion von Radioaktivität und der Neutroneninterrogation einzubringen. Hier wirkten Wissenschaftler des Fraunhofer INT unter anderem in Labortests mit, erschlossen über Fragebögen, Post-Trial-Replays und Interviews Rückmeldungen von Endnutzern, erarbeiteten Empfehlungen für künftige Standardisierungen und analysierten die Ergebnisse, die in groß angelegten Feldversuchen erzielt wurden. So konnte eine fundierte Bewertung der einzelnen technologischen Entwicklungen und des Gesamtsystems erreicht werden.
Drei jeweils zwei- bis dreiwöchige Feldversuche im Jahr 2018 bildeten den Höhepunkt des Projektes. Sie fanden in drei Ländern in unterschiedlichen Umgebungen statt: Am Grenzübergang Röszke in Ungarn, am Deep Water Container Terminal (DCT) in Gdansk, Polen, und am Rotterdamer Containerhafen in Holland. Hier konnten C-BORD-Entwicklungen sogar in einen bestehenden Tunnel integriert werden, der der Inspektion mit Röntgenaufnahmen dient. Mit speziell präparierten Containern, in denen zum Beispiel radioaktive Quellen versteckt waren, sowie mit kommerziellen Containern aus dem laufenden Betrieb wurde die Detektoren und das Gesamtsystem C-BORD realistischen Bedingungen ausgesetzt.
Nicht alle Technologien konnten als ausgereift überzeugen, aber große Fortschritte und teils erstaunlich gute Ergebnisse wurden in fast allen Bereichen erzielt. Auch bereits etablierte Techniken wie die Detektion von Gamma- und Neutronenstrahlung ließen deutliche Verbesserungen erkennen. Eine bedeutsame Leistung des Projekts liegt in der Integration der Daten in ein System und in der übersichtlichen Darstellung
der verschiedenen Detektionsergebnisse in einer vereinheitlichenden graphischen Benutzeroberfläche. Der Mehrwert durch Datenfusion wurde insbesondere anhand der Überlagerung von Röntgenbildern und wärmebildartigen Darstellungen radioaktiver Quellen sichtbar, die eine rasche Lokalisierung von problematischen Containerinhalten ermöglichen – was gerade auch von den Endnutzern sehr positiv bewertet wurde. Bei einem neu entwickelten, threat-lensing genannten Verfahren, konnten sogar die Ergebnisse der Gammastrahlungsmessung durch Informationen aus dem Röntgenbild verbessert werden.
Die Resultate der Projektarbeit und erste Ergebnisse aus den Feldversuchen wurden im Oktober 2018 in einem Abschluss-Workshop in Rotterdam einem breiteren Fachpublikum vorgestellt und mit viel positiver Resonanz gewürdigt.