Autor: Dr. Olaf Schumann
Ziel des Forschungsprojektes QUANTOM® ist die Entwicklung, der Aufbau und die Erprobung einer innovativen Fassmessanlage für die zerstörungsfreie stoffliche Analyse und Plausibilitätsprüfung von radioaktiven Abfällen, verpackt in 200-l-Stahlfässern. Hierzu kooperieren die drei Partner Framatome GmbH, AiNT GmbH und das Fraunhofer INT in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt im Rahmen der Fördermaßnahme »FORKA – Forschung für den Rückbau kerntechnischer Anlagen«.
Bei einer Vielzahl verschiedener Aktivitäten entstehen radioaktive Abfälle. So fallen im Bereich der Nutzung der Kernenergie Abfälle sowohl bei der Uranverarbeitung als auch in den Kernkraftwerken selber an. Auch im Bereich der Medizin, Industrie und Forschung werden radioaktive Stoffe und Strahler eingesetzt. Die langlebigeren Abfälle davon müssen passend längerfristig gelagert werden.
Für schwach- und mittelradioaktive Abfälle soll ab 2027 das Endlager Schacht Konrad zur Verfügung stehen. Radioaktive Abfälle, die in Schacht Konrad endgelagert werden sollen, müssen bestimmten Kriterien entsprechen. Neben Grenzwerten für die enthaltenen Radionuklide müssen auch für die nicht-radioaktiven Bestandteile bestimmte Grenzwerte eingehalten werden. Dies betrifft zum Beispiel giftige Stoffe wie Quecksilber oder Arsen.
Gerade bei Altabfall werden aus heutiger Sicht häufig unzureichende und unstimmige Abfalldeklarationen festgestellt, welche einer endlagergerechten Qualifizierung und Einlagerung im Wege stehen. Bislang erfolgt eine Überprüfung zur vollständigen endlagergerechten Charakterisierung radioaktiver Altabfälle meist durch eine aufwendige Öffnung der Fässer. Bei dieser Überprüfung ist das Personal einer erhöhten Strahlendosis ausgesetzt. Darüber hinaus ist nach erfolgter visueller Kontrolle oder Probenahme eine Umverpackung der Abfälle notwendig, was unter anderem zu einer Volumenvergrößerung führen kann. Des Weiteren führt das Öffnen von Fässern zu einer Deklaration der zu untersuchenden Altabfälle als Neuabfall, an welchen, im Gegensatz zu Altabfällen, deutlich restriktivere Anforderungen geknüpft sind. Alle diese Faktoren führen zu höheren Kosten für die Endlagerung des Abfalls.
Um die zerstörende Überprüfung der Abfallfässer zu vermeiden, bieten sich zerstörungsfreie Verfahren an. Zwei etablierte Verfahren sind hierbei die Detektion von Neutronen und das abschnittsweise Scannen der Gamma-Aktivität. Diese können jedoch nur Informationen über die enthaltenen Radionuklide liefern, nicht jedoch über die nicht radioaktiven Elemente oder die entsprechende stoffliche Zusammensetzung.
An dieser Stelle setzt das QUANTOM®-Projekt an. Zur zerstörungsfreien Analyse wird das Verfahren der prompten Gamma-Neutronen-Aktivierungs-Analyse eingesetzt. Dabei gelangen schnelle Neutronen mit einem hohen Eindringungsvermögen in das Abfallfass. In einem umgebenden Reflektor (siehe Abb. 1) und dem Abfallfass verlieren die Neutronen einen Teil ihrer Energie und werden dann innerhalb des Fasses durch Atomkerne eingefangen. Hierbei senden die Atomkerne charakteristische Gammastrahlung aus, welche sozusagen einen Fingerabdruck darstellt. Die Strahlung dringt dann nach außen und kann dort mittels eines Detektors nachgewiesen werden. Auf diese Weise können die im Fass vorhandenen Elemente identifiziert werden. Aus der Intensität der Strahlung lässt sich die Menge des jeweiligen Elementes ermitteln. Die Zusammensetzung des Abfalls kann dadurch bestimmt werden. Das einzelne Fass wird bei der Untersuchung abschnittsweise gedreht und angehoben (48 x Abschnitte), sodass immer ein anderer Abschnitt vermessen wird. Dadurch kann man bestimmen, wie die Elemente im Fass verteilt sind.
Der Aufbau der Anlage findet seit 2019 im Technikum des Konsortialpartners AiNT statt und wurde im Jahr 2020 erfolgreich abgeschlossen. Framatome übernimmt hierbei die Beschaffung, die mechanische Konstruktion der Anlage und die Entwicklung der Anlagensteuerung. Der Konsortialpartner AiNT entwickelt die Mess- und Auswerteroutinen, um aus den Messdaten die Elementverteilung innerhalb des Fasses zu ermitteln. Das Fraunhofer INT ist für die Messung des Neutronenflusses sowohl an der Quelle als auch in der Umgebung des Fasses zuständig.
Abbildung 2 zeigt eine Ansicht des aktuellen Planungsstandes der Anlage. Die Abfallfässer werden über ein Förderband der Anlage zugeführt. Der Kran nimmt ein Fass auf und setzt es in die Messkammer, wo es mit Neutronen bestrahlt wird. In der Messkammer ist das Fass von Graphit umgeben, welches die Neutronen moderiert und so die Effizienz der Anlage verbessert. Diese Kammer wird für eine Messung geschlossen. Das Fass steht in der Kammer auf einem Dreh- und Hubteller, mit dem der zu messende Abschnitt vor dem Detektor platziert wird. Es gibt insgesamt zwei hochauflösende Gammadetektoren (HPGe), damit die gesamte Messung schneller erfolgt.
Das Neutronenfeld innerhalb der Anlage wird durch den Inhalt des Fasses beeinflusst, was sich wiederum auf die Messergebnisse auswirkt. Für eine qualitative Auswertung ist daher die Kenntnis der Neutronenverteilung im Inneren des Fasses essentiell. Hierzu entwickelt AiNT ein Softwaremodul, welches diese Verteilung im Rahmen der Auswertung berechnen soll. Die Validierung mit nicht radioaktiven Fässern ist erfolgreich abgeschlossen worden. Hierbei ist es jedoch wichtig, dieses Modell mit Messwerten abzugleichen. Hierzu hat das Fraunhofer INT ein System entwickelt und aufgebaut, welches an 32 Stellen um das Fass herum den thermischen Neutronenfluss misst und zusätzlich mithilfe eines weiteren Neutronendetektors (Spaltkammer) die Quellstärke des Neutronengenerators bestimmt. Hierzu wurden geeignete Komponenten ausgewählt und die Anordnung der Detektoren für den Anwendungszweck mittels Monte-Carlo N-Particle Transport Code (MCNP, ein Programm zur Simulation nuklearer Prozesse) Simulationen optimiert. Das System wurde zuerst am Fraunhofer INT in Betrieb genommen und anschließend im Technikum von AiNT in die Gesamtanlage integriert. Auch die Softwareansteuerung der Neutronendetektoren wurde am Fraunhofer INT realisiert.
Mit QUANTOM® wird in Zukunft eine Anlage zur Verfügung stehen, mit der sich Abfallfässer zerstörungsfrei und ohne Neuverpackung analysieren lassen. Damit wird die Strahlenexposition des Betriebspersonals stark vermindert und eine Abfallvolumenvergrößerung vermieden. QUANTOM® ist als eine mobile, in einem Standardcontainer integrierte Messanlage geplant. Dies ermöglicht den Einsatz der Messanlage direkt dort, wo die Abfälle gelagert oder konditioniert werden und vermeidet dadurch unnötige Transporte von radioaktivem Abfall. Damit liefert dieses Projekt einen wichtigen Beitrag für die sichere und effizientere Entsorgung von radioaktivem Abfall.