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Bioinspirierte Oberflächen

Im Laufe von 3,8 Milliarden Jahren Evolution und natürlicher Auslese haben Pflanzen und Tiere in der Natur ein breites Spektrum verschiedenster Oberflächen mit unterschiedlichsten Funktionen entwickelt, um dadurch optimal auf die Interaktion mit der komplexen natürlichen Umwelt eingestellt zu sein. Grundlage für diese oftmals multifunktionalen Oberflächen sind, neben der vorliegenden Chemie, die hierarchisch organisierten Mikro-/Nanostrukturen auf diesen Oberflächen. Inspiriert von diesen natürlichen Vorbildern können hierarchisch strukturierte, technische Funktionsmaterialien entwickelt und zur Verbesserung von kommerziellen Produkten und Technologien herangezogen werden.

So vielfältig die Ansätze zur Funktionalisierung der Oberflächen ist, so breit ist auch das Feld der potenziellen Anwendungsbereiche, die von der Medizin über Automobil und Luftfahrt bis hin zur Baubranche reichen. Besonders interessant ist dabei auch die Kombination verschiedenster Funktionalitäten in einem Material (Multifunktionalität), die viele der biologischen Vorbilder aufweisen. So werden Funktionsmaterialien entwickelt, die Eigenschaften wie Selbstreinigung, Reibungsreduktion, Korrosionsschutz, Selbstheilung, Kratzfestigkeit oder Abriebfestigkeit aufweisen oder gar kombinieren.  

Die Erforschung und Entwicklung bioinspirierter Oberflächen und Beschichtungen ist ein etabliertes Forschungsfeld, welches je nach Teilthemengebiet von der Grundlagenforschung bis hin zum Einsatz von marktfähigen Produkten reicht.

Es sind bereits eine ganze Reihe an Beispielen für bioinspirierte Oberflächen im Bereich von Forschung und Entwicklung vorgestellt worden. Dabei handelt es sich beispielsweise um flüssigkeitsbezogene Funktionalitäten wie stark flüssigkeitsabweisende oder -liebende Eigenschaften (teilweise mit Selbstreinigungseffekt – Lotus Effect). Des Weiteren können Oberflächenstrukturierungen vorgenommen werden, die verschiedene Arten von Korrosionsschutz oder antibakterielle Eigenschaften ermöglichen. Die genutzten Strukturen oder Prinzipien besitzen allesamt sehr erfolgreiche biologische Vorbilder. Dabei gibt es in der Natur auch klar gegensätzliche Effekte. So wird durch die Riblet-Strukturen auf der Haihaut die Reibung extrem minimiert und mit besonderen Strukturen an den Geckofüßen eine zwar reversible aber starke Haftung erreicht. Weitere sehr große Anwendungsgebiete sind Beständigkeit und Heilung von Oberflächen. So weist Perlmutt eine extreme große Härte und mechanische Zähigkeit auf, Haihaut wiederum besitzt Antifouling Eigenschaften und das Prinzip der Selbsthäutung wird als Möglichkeit zur Selbstheilung erforscht. Schließlich dienen Oberflächen auch in vielen Fällen der Ästhetik, hier lässt sich die Forschung bei Schmetterlingsflügeln, Blüten oder Mottenaugen inspirieren. Und betrachtet man Möglichkeiten in Bezug auf die Multifunktionalität solcher Oberflächen, so ist es auch möglich, reizempfindliche Strukturen herzustellen, die z. B. neben den oben genannten Eigenschaften auch Licht und Temperatur detektieren können. So könnte ein Autolack, der bei starker Sonneneinstrahlung die Farbe von schwarz nach weiß verändert, zukünftig vielleicht nicht mehr nur im Bereich der Science-Fiction zu finden sein.

Die technische Umsetzung der biologischen Prinzipien birgt jedoch noch immer viele Herausforderungen, insbesondere wenn es um die Herstellung multifunktionaler Oberflächen geht.

Zur Einschätzung konkreter Forschungs- und Entwicklungsstände, bedarf es daher einer differenzierten Betrachtung der Teilthemengebiete. Dies gilt auch im Hinblick auf die eingesetzten Fertigungsverfahren und Materialien, die sich entsprechend der jeweiligen Oberflächeneigenschaften unterschiedlichen Herausforderungen stellen müssen. Hierzu zählen beispielsweise Replikationsverfahren, Lithografie, Ätzverfahren, generative Fertigungsverfahren und viele mehr. Herausforderungen auf dem Weg zur Massenproduktion liegen insbesondere in der Skalierbarkeit und der Haltbarkeit der Strukturen.

Es gibt noch viele weitere Bereiche, in denen die Natur als Inspiration für die Gestaltung von Oberflächen herangezogen wird und zukünftig werden kann. In unseren nächsten Newslettern werden wir in loser Reihenfolge über neue Trends und Entwicklungen in diesem Bereich berichten.

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im Mai 2022 veröffentlicht.

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