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LEO-Satellitengestützte opportunistische Navigation

Das globale Navigationssatellitensystem (Global Navigation Satellite System, GNSS) ist heute die führende Technologie zur Gewinnung von präzisen Positions-, Navigations- und Zeitdaten (Positioning, Navigation and Timing, PNT) und in vielen Anwendungen des alltäglichen Lebens wie z. B. in fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen integriert. GNSS-Signale sind jedoch relativ schwach und daher anfällig für Störungen aller Art.

Diese Störungen umfassen dabei insbesondere Interferenzen durch Radiofrequenzen, die sowohl unbeabsichtigt auftreten als auch absichtlich herbeigeführt werden können. Unbeabsichtigte Störeffekte können beispielsweise durch Sonnenstürme, Signalreflexionen von Gebäuden oder sogenannte ionosphärische Szintillationen verursacht werden. Beabsichtigte Störungen werden insbesondere durch lokal erzeugte Funkstörungen bzw. die Nichtverfügbarkeit des Systems (Jamming) oder durch gefälschte GNSS-Signale, welche die Positions-, Navigations- und Zeitdaten manipulieren (Spoofing), verursacht. Obwohl die Auswirkungen von Störungen unterschiedlich ausgeprägt sind und verfügbare Sicherheitsmaßnahmen solche Angriffe erkennen und entschärfen können, können die Störungen zu kritischen Sicherheitsproblemen führen.

In Folge ist der Bedarf an präzisen und zuverlässigen PNT-Daten insbesondere für Entwicklungsfortschritte im Bereich von autonomen Fahrzeugen, 6G Netzwerktechnologien bzw. cyber-physischen Systemen höher denn je. Im Zuge des gesteigerten Bedarfs wird der opportunistischen Navigation in den letzten Jahren gesteigerte Aufmerksamkeit zuteil. Opportunistische Navigation bezeichnet dabei ein Paradigma, das sich auf die Nutzung von Funksignalen aus der Umgebung (Signals of Opportunity, SOP), die ursprünglich nicht zur Verwendung für PNT-Funktionen vorgesehen waren, stützt. In verschiedenen Studien wurde insbesondere die Nutzung von terrestrischen SOPs wie z. B. AM/FM-Radio-Signale, Mobilfunksignale und digitale Fernsehsignale erforscht. Durch die zunehmende Realisierung von LEO-Satelliten-Megakonstellationen (Low Earth Orbit, LEO) haben aktuelle Studien auch die Nutzung nicht-terrestrischer SOPs zum Gegenstand der Forschung gemacht, um die Entwicklung einer LEO-Satellitengestützten opportunistischen Navigation zu ermöglichen.

Erwartete Vorteile der LEO-Satellitengestützten opportunistischen Navigation liegen in der (kostenlos) nutzbaren Infrastruktur, der hohen Signalleistung im Vergleich zu GNSS-Signalen und der hohen Frequenz-Diversität bei Verwendung unterschiedlicher Systeme. Nachteile ergeben sich daraus, dass SOPs ursprünglich nicht zur Verwendung für PNT-Funktionen vorgesehen waren und entsprechend nicht für Navigationszwecke optimiert sind. So sind bei LEO-Satelliten im Gegensatz zu GNSS-Satelliten im Allgemeinen genaue Informationen über Positionen und Taktfehler nicht verfügbar. Dieser Herausforderung wird u. a. mit einem simultanen Tracking- und Navigationsansatz (Simultaneous Tracking And Navigation, STAN) begegnet. Dabei funktioniert STAN im Prinzip wie ein herkömmliches, eng gekoppeltes GNSS-gestütztes Trägheitsnavigationssystem (Inertial Navigation System, INS). Im Unterschied werden jedoch gleichzeitig mit den Zuständen des navigierenden Fahrzeugs auch die Position und der Taktzustand des LEO-Satelliten geschätzt, da diese dem fahrzeugmontierten Empfänger unbekannt sind. Zudem werden anstelle von GNSS-Pseudoentfernungen, Pseudoentfernungs-, Doppler- und/oder Trägerphasenmessungen aus den Signalen der LEO-Satelliten extrahiert, um das INS des Fahrzeugs zu unterstützen.

In Experimenten mit bodengebundenen Fahrzeugen wird das GNSS-Signal nach einer bestimmten Wegstrecke bzw. Zeit abgeschaltet und die Prognosefehler (root mean-squared errors, RMSEs) zwischen den GNSS-basierten und den LEO-basierten INS des Fahrzeugs verglichen. Interessanterweise sind die Ergebnisse der LEO-Satellitengestützten opportunistischen Navigation weniger fehlerbehaftet als die GNSS-basierten Navigationsergebnisse. Konkret legte ein Fahrzeug in einem kürzlich durchgeführten Test eine Stecke von 4,05 km in 140 s zurück (ca. 104 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit). Der Positions-RMSE des GNSS-gestützten INS-Systems betrug nach Abschaltung des GNSS-Signals 1.865 m, wohingegen der RMSE des LEO-gestützten INS lediglich 18,3 m betrug.

Obwohl das Potenzial der LEO-Satellitengestützten opportunistischen Navigation für die Anwendung in Fahrzeugen und unbemannten Luftfahrzeugen aufgezeigt wird, sind weitere Tests erforderlich, um festzustellen, ob dies im Allgemeinen und für eine breite Anwendbarkeit der LEO-Satellitengestützten opportunistischen Navigation zutrifft.

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im März 2025 veröffentlicht.

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