Multi-Stakeholder Dialoge für das Waldbrand-Risikomanagement
Drängende gesellschaftliche Herausforderungen wie der Klimawandel, soziale Ungleichheit und ökologische Degradation sind durch Wechselwirkungen zwischen natürlichen und sozioökonomischen Systemen gekennzeichnet. Viele Umweltprobleme sind auf komplexe, nichtlineare Weise miteinander verbunden. Auch Waldbrandrisiken und ihr Management sind durch komplexe Interdependenzen zwischen menschlichem Verhalten, sozioökonomischen Entwicklungen, dem Klima und der Vegetation gekennzeichnet. So führt der Klimawandel in vielen Regionen zu mehr Trockenheit und Hitze, während Wälder und Vegetation aufgrund von Trockenheit und Schädlingsbefällen anfälliger gegenüber Bränden werden. Dies begünstigt das Auftreten von Wald- und Vegetationsbränden.
Gleichzeitig verändern sich eine Reihe von Parametern, die die Auswirkung möglicher Brände beeinflussen. Die Bewirtschaftung ländlicher Räume und ihrer Vegetation und damit der vorhandenen Brennstofflast ist bspw. eng mit Urbanisierungsprozessen und der Entvölkerung dieser Regionen verbunden. Infrastrukturen wie die Elektrizitätsversorgung oder Bahnverbindungen können sowohl zur Verursachung von Bränden (bspw. durch Funkenschlag) beitragen und sind gleichzeitig von ihnen betroffen. Neben diesen beispielhaft benannten Zusammenhängen können Zielkonflikte zur Komplexität des Waldbrandrisikomanagements beitragen. Diese können bspw. zwischen der kontrollierten Nutzung von Bränden im Rahmen des Ökosystemmanagements und der Unterdrückung von Feuern im Rahmen des Brandschutzes bestehen oder auch Umverteilungsaspekte umfassen. So wurde beispielsweise nach den Waldbränden 2018 in Schweden die Hälfte der verbrannten Fläche (6 400 ha), die hauptsächlich privaten Kleinbesitzer*innen gehörte, zu einem Naturschutzgebiet erklärt, wobei die Betroffenen Entschädigungen oder alternative Waldgrundstücke erhalten sollten.
Diese Beispiele zeigen, dass es im Rahmen des Waldbrandrisikomanagements zu Konflikten zwischen verschiedenen Zielen wie Nachhaltigkeit, wirtschaftlicher Ressourcennutzung und Naturschutz kommen kann, bei denen verschiedene Akteur*innen mit unterschiedlichen Interessen und Zielen aufeinandertreffen. Insbesondere die Entwicklung integrierter Management-Strategien muss daher mit der Identifizierung von Synergien und (potenziellen) Konflikten sowie (wahrgenommenen) Ungerechtigkeiten zwischen den Interessengruppen verbunden sein. Im Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge der Vereinten Nationen (VN) heißt es in diesem Zusammenhang: „Die Erforschung der Zusammenhänge zwischen extremen Brandereignissen und menschlichen Aktivitäten ist von größter Bedeutung und erfordert eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler*innen, politischen Entscheidungsträger*innen, lokalen Behörden, Waldbrandrisikomanager*innen und der Zivilgesellschaft.“ Die Europäische Umweltagentur fordert in einem kürzlich erschienenen Bericht ausdrücklich dazu auf, „über die Gerechtigkeitsperspektive der Klimarisiken und Anpassungsmaßnahmen nachzudenken und zu untersuchen, wie sie sich auf verschiedene Gruppen in unserer Gesellschaft auswirken.“
Im Einklang mit den jeweiligen Forderungen hat das Fraunhofer INT im Rahmen des Europäischen Green Deal das Projekt Firelogue (Cross-sector Wildfire Risk Management Dialogue) eingeworben. Firelogue setzt sich zum Ziel, die Maßnahmen, die in verschiedenen Forschungs-Großprojekten erarbeitet werden, über die verschiedenen Interessengruppen und Phasen des Waldbrandrisikomanagements hinweg zu integrieren. Es stützt sich dabei auf verschiedene Dialog-Formate, um das vorhandene Waldbrandrisiko-Wissen und die von den Projekten entwickelten Innovationen zusammenzuführen und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, um letztendlich ganzheitliche Strategien auf europäischer Ebene zu erarbeiten.