Satellitenunabhängige Navigation
Transport ist ein Funktionsbereich der Logistik, der darauf angewiesen ist, die Position von Gütern oder Transportmitteln regelmäßig zu erfassen. Zur Bestimmung der Position auf der Erdoberfläche sind satellitengestützte Systeme – allen voran das GPS – inzwischen Stand der Technik. Die benötigten Empfangsmodule arbeiten passiv, erreichen eine Genauigkeit von unter zehn Metern und sind durch den entstandenen Massenmarkt preisgünstig zu erhalten. Jedoch gibt es einerseits Einsatzgebiete ohne ausreichende Empfangsstärke, wie beispielsweise unter Wasser, andererseits sind die von den Navigationssatelliten empfangenen Signalstärken auch unter günstigen Bedingungen recht schwach und können daher leicht gestört oder gezielt verfälscht werden. Deshalb rücken heute wieder im Prinzip seit langem bekannte und schon vor GPS eingesetzte satellitenunabhängige Navigationsverfahren in den Fokus, die auf der Basis neuer Technologieentwicklungen früher kaum für möglich gehaltene Leistungssteigerungen erreichen sollen.
Dabei sind zunächst zwei grundsätzlich verschiedene Navigationsansätze zu unterscheiden. Da sind einerseits alle kartengestützten Methoden, die sich an zuvor bereits bekannten, also kartierten Punkten im Raum orientieren und daraus die eigene Position bestimmen. Der andere Ansatz ist die Trägheitsnavigation. Hierbei messen Sensoren über die wirkenden Trägheitskräfte jede Bewegungsänderung einer Plattform. Das Navigationssystem berechnet daraus die in dem Messintervall zurückgelegte Wegstrecke und summiert die so ermittelten Wegstreckenabschnitte auf.
Vorteil der kartengestützten Methoden ist ihre über die Zeit stabile Genauigkeit. Nachteil sind ihre Abhängigkeit von genauen Karten mit ausreichend differenzierter Struktur sowie die Notwendigkeit eines zuverlässigen Empfangs der Messgröße, die zur Orientierung dient. Neue Technologieentwicklungen gibt es hier für verschiedenste Anwendungsfälle. In dicht besiedelten Gebieten kann das die Auswertung von für andere Zwecke abgestrahlten Hochfrequenzsignalen sein. So bilden die Sender des terrestrischen Digitalfernsehens ein Gleichwellennetz und senden daher in regelmäßigen Abständen leistungsstarke Synchronisierungssignale. Sind die Positionen der Sendeanlagen und der Sendezeitpunkt dieser Signale bekannt, kann über Laufzeitmessung die eigene Position trianguliert werden. So kann nach wenigen Sekunden Messzeit die eigene Position auf bis zu einem Meter genau bestimmt werden.
Auch die Trägheitsnavigation hat Vor- und Nachteile. Zu letzteren zählt die begrenzte Langzeitstabilität durch die empfindliche Abhängigkeit von systematischen Messfehlern, da sich diese mit jedem Berechnungsschritt aufsummieren. Diese anwachsende Abweichung wird als Drift bezeichnet. Der große Vorteil der Trägheitsnavigation hingegen liegt in der Unabhängigkeit von äußeren Referenzsystemen, es kommt also ohne Informationen aus der Umwelt aus, ist damit nahezu nicht störbar und nicht aufklärbar. Als interessante Technologie, die Langzeitstabilität deutlich zu verbessern, zeigen sich Atominterferometer. In ihnen wird ein Strahl aus kalten Atomen in zwei Teilstrahlen aufgespalten, die zwei unterschiedliche Wege zurücklegen, bevor sie wieder überlagert werden. Wird das Interferometer bewegt, so ändern sich die Lauflängen der beiden Wege geringfügig, was mit hoher Empfindlichkeit am Überlagerungsmuster abgelesen werden kann. Obwohl bisher nur aufwändig im Labor oder als einfache Machbarkeitsstudie im Feld realisiert, zeigen die Ergebnisse, dass mit Atominterferometern als Trägheitssensoren absehbar Driften von unter fünf Metern pro Stunde erreicht werden können.
Bei langandauernden Navigationsanwendungen kommen als Alternativen zur satellitengestützten Navigation oft auch Kombinationsverfahren in Betracht, die die Vorteile der Trägheitsnavigation mit denen der kartengestützten Navigation verbinden. So dient die kartengestützte Navigation dazu, in regelmäßigen Abständen eine absolute Positionsbestimmung durchzuführen, um darüber die Drift aus den Trägheitsmessungen zu kompensieren und den Gesamtfehler klein zu halten. Die Leistungsfähigkeit solcher Kombinationsverfahren wurde beispielsweise im Jahr 2020 gezeigt, wobei ein einfacher Trägheitssensor mit einer Drift von über 40 Kilometern pro Stunde mit einer Messung des Erdmagnetfelds kombiniert wurden und so für in vier Kilometer Höhe fliegende Plattformen eine zeitunabhängige, mittlere Positionsgenauigkeit von 300 Metern erreichten.