Trend-NEWS

Transiente Elektronik

Angetrieben durch Trends wie das Internet der Dinge oder Smart Health nimmt die Zahl kleiner elektronischer Geräte beständig zu. Expert*innen erwarten, dass wir zukünftig von intelligenten Sensorknoten umgeben sein werden, die etwa Verkehrsflüsse lenken, den Zustand von Infrastruktur überwachen oder Luft- und Bodenqualität erfassen könnten. Als Teil von am Körper getragenen Geräten, sogenannten Wearables, oder von Implantaten sollen sie zudem unseren Gesundheitszustand beständig erfassen. Diese Trends bringen viele Vorteile mit sich – ein großer Nachteil besteht jedoch darin, dass mit der enormen Zunahme an elektronischen Geräten auch eine starke Zunahme an Elektronikabfall zu erwarten ist. Hier könnte transiente Elektronik Abhilfe schaffen, da sich transiente elektronische Schaltkreise und Komponenten am Ende ihrer geplanten Nutzungszeit zersetzen bzw. auflösen oder gezielt im Körper oder in der Umwelt abgebaut werden. Damit stehen sie in starkem Kontrast zur Entwicklung herkömmlicher Leistungselektronik, bei der der Fokus auf eine möglichst lange Lebensdauer und Haltbarkeit gelegt wird.

Ein wichtiges Kriterium stellt dabei die geplante Zersetzung oder Auflösung basierend auf einem vorher bestimmten Mechanismus dar. Dies kann entweder passiv durch allmählichen Einfluss von Umweltbedingungen geschehen oder aber aktiv ausgelöst werden, etwa durch Bestrahlung mit Licht oder eine starke Erwärmung. Je nach Anwendungsfall kommt als zusätzliche Anforderung hinzu, dass bei der Zersetzung lediglich umweltfreundliche und physiologisch unbedenkliche Stoffe hinterlassen werden. Dies ist insbesondere im Bereich der Medizin der Fall, wo die Entwicklung von bioresorbierbaren Implantaten im Fokus steht, die sich in Blut oder anderen Körperflüssigkeiten mit einer vorher bestimmten Abbaurate zersetzen. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass ein zweiter Eingriff zur Entfernung des Implantats entfallen könnte. Aber auch in elektronischen Pflastern, etwa zur Überwachung des Fortschritts der Heilung einer Wunde, könnte transiente Elektronik genutzt werden. Ein Anwendungsgebiet mit ähnlichen Anforderungen stellt das Umweltmonitoring dar. Auch hier wäre es unpraktisch oder sogar unmöglich, etwa in Äckern oder an städtischen Kontrollpunkten angebrachte, miniaturisierte Sensoren nach ihrer Nutzung wieder zu entfernen. Stattdessen könnte hier transiente Elektronik zum Einsatz kommen, die sich durch Umwelteinflüsse nach einer definierten Nutzungszeit einfach zersetzt.

Im Bereich der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik wird ebenfalls an transienten Gegenmodellen zu herkömmlichen Geräten geforscht. Insbesondere mit Blick auf die immer kürzeren Nutzungszeiten elektronischer Geräte wird erwartet, dass eine solche „grüne Wegwerfelektronik“ zukünftig eine große Rolle spielen könnte. Aber auch das Recycling herkömmlicher Leistungselektronik könnte von den Ansätzen transienter Elektronik profitieren, indem zumindest die Möglichkeit einer teilweisen Selbstzersetzung eingeplant und Recyclingverfahren dadurch vereinfacht würden. Ein gänzlich anderes Anwendungsfeld besteht in der Fertigung spezieller Elektronik für sicherheitsrelevante Anwendungen, wo durch eine Auflösung der Elektronik ein Zugriff auf sensible Daten verhindert werden soll. Hier muss die Zersetzung dementsprechend relativ schnell und auf einen konkreten Trigger hin ausgelöst werden können, um etwa einen Datenspeicher unbrauchbar zu machen. Eine Umsetzung erfolgt unter anderem mittels chemischer Reaktionen, die unter Bildung eines Gases ablaufen und durch den entstehenden Druckaufbau schließlich umgebende Bauteile zerstören können.

Für die genannten Anwendungen wurde bereits eine Vielzahl an transienten Bauteilen, Sensoren, Aktoren und Energiequellen vorgestellt, die auf sehr unterschiedliche Zersetzungsmechanismen zurückgreifen. Zum Teil erreichen diese dabei bereits die Leistung ihrer traditionellen Pendants. Grundsätzlich befindet sich die Forschung zu transienter Elektronik jedoch noch in einem frühen Forschungsstadium, sodass noch viele Herausforderungen bestehen. Die Alltagsfähigkeit der im Labor demonstrierten Systeme bleibt noch abzuwarten, zudem fehlen derzeit Möglichkeiten einer großskaligen Herstellung solcher Elektronik. Aufgrund der hohen Forschungsdynamik sind hier jedoch in den nächsten Jahren weitere Fortschritte zu erwarten.

Dieser Trend-NEWSletter-Artikel wurde im März 2022 veröffentlicht.

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