Elektromagnetische Effekte und Bedrohungen

Detektion der Bedrohung von Elektronik durch High Power Electromagnetics (HPEM)

Relevanz elektromagnetischer Störungen in Sicherheitsanalysen

In vielen Gesellschaftsbereichen gibt es Einrichtungen, deren ständige Verfügbarkeit zwingend erforderlich ist. Dazu gehören zum Beispiel kritische Infrastrukturen wie Kommunikationsnetze, Krankenhäuser oder auch das Stromnetz. Deren Betrieb wird vermehrt durch aufwändige technische Anlagen und IT-Systeme gesichert.

Im Rahmen der aktuellen Sicherheitsdiskussion rückt ein zunächst ungewohnter Aspekt in den Fokus: Die mutwillige Störung von elektronischen Systemen durch elektromagnetische Signale hoher Leistung, die unter dem Sammelbegriff der Intentional Electromagnetic Interference (IEMI) geführt wird. Mit starken Sendeeinrichtungen lassen sich auch in Entfernungen von 100 Metern und mehr unauffällig Gerätschaften stören, je nach Einzelfall mit fatalen Folgen für das Gesamtsystem. Bei elektromagnetischen Hochleistungsstörungen im Allgemeinen spricht man dann auch von High Power Electromagnetics (HPEM).

 

Detektion als Teil eines Schutzkonzeptes

Im Rahmen der Entwicklung von Schutzkonzepten gibt es schon seit Jahren Bestrebungen, robuste Empfangs- und Messapparaturen zu entwickeln, welche die ansonsten unbemerkte Belastung durch extreme Störsignale überhaupt erst erfassen können. In diesem Zusammenhang befasst sich das Geschäftsfeld »Elektromagnetische Effekte und Bedrohungen« (EME) des Fraunhofer INT schon in mehreren Iterationen mit der Entwicklung eines umfassenden Detektionssystems. Die spezielle Zielsetzung bestand darin, über eine reine Warnfunktion hinaus Störsignale möglichst auch quantifizieren und detailliert aufzeichnen zu können, was im Nachhinein auch forensische Analysen ermöglicht. Für unmittelbare Gegenmaßnahmen ist darüber hinaus eine Bestimmung der Bedrohungsrichtung hilfreich.

Eigenentwicklung eines Detektors für High Power Electromagnetics

Forensic Detection System - FORDES

 

Leistungsmerkmale

In seiner aktuellen Entwicklungsstufe weist das am Fraunhofer INT konzipierte forensische HPEM-Detektionssystem die im folgenden beschriebenen Merkmale auf, die es in vielen Teilen deutlich von marktgängigen Lösungen abhebt:

  • Erkennung der Störfrequenz als Referenzgröße bei schmalbandigen Signalen
  • Besonders genaue Feldstärkebestimmung durch Frequenzgangkorrektur bei gleichzeitig hoher Messdynamik
  • Bestimmung der Einfallsrichtung der Störsignale
  • Erfassung zentraler Parameter bei gepulsten Störungen
  • Kompakter Formfaktor zur Erweiterung des Einsatzspektrums bei hohem Eigenschutzniveau
  • Zusätzlicher Akkubetrieb für Netzausfälle oder den mobilen Einsatz
  • Zugängliche grafische Nutzeroberfläche

 

Systemkonzept

In der Verarbeitungskette der Eingangssignale werden dabei die folgenden Stufen durchlaufen:

  • Schleifenantennen erfassen elektromagnetische Signale mit hoher Feldstärke
  • Dämpfungsglieder schwächen die Signale zum Schutz der Elektronik ab
  • Die Signale werden aufbereitet, digitalisiert und zwischengespeichert
  • Frequenz und wichtige Pulsparameter (Pulsweite, Pulsanzahl etc.) werden bestimmt
  • Die weitere Auswertung der Daten erfolgt auf einem eingebauten Kleinstcomputer
  • Das System ist über eine optische Schnittstelle in ein Netzwerk eingebunden
  • Steuerung des Systems und Anzeige der Daten erfolgen über ein selbstentwickeltes Web-Interface auf einem Rechner im Netzwerk

Dabei wird die eigentliche Detektionseinheit strategisch in der Nähe der besonders sensitiven Systeme aufgestellt, die als mögliches Ziel einer Störung besonders in Frage kommen, beispielsweise ein Rechenzentrum oder eine Leitwarte. Die visuelle Auswertung erfolgt dann auf einem Rechnersystem in einem erwartungsgemäß weniger exponierten Bereich, das selbst gut geschützte System zeichnet im Zweifel allerdings auch alle Ereignisse lokal für eine spätere Auswertung auf.

 

Technische Eigenschaften

Die folgenden technischen Eigenschaften zeichnen das System aus:

  • Erkennung von HPEM-Bedrohungen bei Frequenzen < 10 GHz und Feldstärken deutlich größer als 10 kV/m
  • Messung der Feldstärke von 100 V/m bis hin zu einigen kV/m und forensische Auswertung von HPEM-Parametern im Frequenzbereich 500 MHz bis 8 GHz
  • Das System hat einen Eigenschutz vor noch höheren Feldstärken
  • Akkubetrieb bis zu 10 Stunden
  • Würfelförmiges Außengehäuse mit 19 cm Kantenlänge

Ein Detektionssystem nimmt im Kontext des Schutzes vor elektromagnetischen Störungen eine zentrale Rolle ein, weswegen die stetige Weiterentwicklung in Anpassung an die jeweilig angedachten Einsatzkonzepte angestrebt wird. Die aktuelle Entwicklungsiteration hat den Stand eines Labordemonstrators.

Gesamtansicht des Detektors
Detektor von unten
Webinterface

Glossar

  • EMV ist als Kürzel für die »Elektromagnetische Verträglichkeit« bekannt. Es ist die Ingenieursdisziplin, die der Frage nachgeht, inwieweit elektronische Geräte und Systeme benachbarte Gerätschaften durch eigene Störaussendungen stören oder von diesen selbst gestört werden können. Vor der Markteinführung von Produkten muss sichergestellt werden, dass bestimmte Testnormen erfüllt werden.
  • HPEM steht für »High Power Electromagnetics« und bezeichnet als Sammelbegriff Phänomene, die mit der Erzeugung intensiver elektromagnetischer Strahlungsfelder oder leitungsgebundener Spannungen und Ströme in Verbindung stehen. Bei deren Auftreten können elektronische Systeme gestört oder beschädigt werden. Im Allgemeinen übersteigen die Störgrößen deutlich diejenigen, denen normalerweise elektronische Gerätschaften bei Belastungstests im Rahmen der Prüfung ihrer elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) unterzogen werden (elektrische Feldstärke > 100 V/m).
  • HPM bezeichnet mit »High Power Microwaves« eine Unterkategorie von HPEM und ist eine eher in der Vergangenheit gebräuchliche Bezeichnung für (gepulste) schmalbandige Signale mit Spitzenfeldstärken größer als 100 (500) V/m oder abgestrahlten Spitzenleistungen größer als 10 MW.
  • IEMI steht für »Intentional Electromagnetic Interference« und bezeichnet die absichtliche Nutzung von elektromagnetischer Strahlung, um beispielsweise für terroristische oder kriminelle Zwecke elektronische Systeme zu stören oder zu beschädigen.